Neue Wege für kollektives Handeln im Zeitalter der Hyperpolitik

Demokratie gedeiht durch Imagination, kollektives Handeln und aktive Partizipation. Angesichts der Herausforderungen der ‚Hyperpolitik‘, Individualisierung und des demokratischen Rückschritts ist es an der Zeit, neu zu überdenken, wie wir Bürger:innen einbinden, Vertrauen aufbauen und Systeme gestalten, die gemeinsame Verantwortung für langfristige Veränderungen ermöglichen.

von Mathias Behn Bjørnhof

10. Februar 2025

Lassen Sie mich mit meinem eigenen Weg beginnen, auf dem ich mich intensiver mit (den Zukünften) der Demokratie beschäftigt habe. Er war alles andere als linear. In meinem frühen Zwanzigern wechselte ich, wie es junge Menschen tun, von dem Wunsch, Anthropologe zu werden, zu Historiker, Diplomat und Innovationsspezialist – bis ich schließlich zum Zukunftsforscher und Unternehmer wurde.

Jede subtile Veränderung spiegelte meine Neugier und den Wunsch wider, das größere Ganze zu sehen. Erst als ich die Zukunftsforschung entdeckte, erkannte ich, dass ich das perfekte Feld gefunden hatte. Eines, das multidisziplinäre Perspektiven zusammenbringt, um zu erforschen, wie sich Gesellschaften und Systeme im Laufe der Zeit verändern und vor allem, wie wir die Zukünfte gestalten können, die wir sehen wollen.

Das Zeitalter der Hyperpolitik

Zukunftsarbeit, insbesondere wenn sie auf die Demokratie angewendet wird, verbindet sich tief mit dem Kern dessen, was es bedeutet, in einer Gesellschaft zu leben und sie zu gestalten. Demokratie in ihrem modernen Sinne entstand aus dem imaginativen Sprung, dass wir uns eine bessere Zukunft vorstellen könnten. Thomas Mores Utopia – vor über 500 Jahren veröffentlicht – ist ein kraftvolles Beispiel dafür. Es legte den Grundstein für die Vorstellung einer Welt, in der Menschen Einfluss auf ihr kollektives Schicksal haben. Dieser Akt der Vorstellungskraft mobilisierte die Massen und führte zu Revolutionen, die die demokratischen Prinzipien formten, die wir heute als selbstverständlich betrachten.

Aber heute steht die Demokratie vor einer neuen Art der Herausforderung. Wir leben in einem Zeitalter, das einige ‚Hyperpolitik‘ nennen. Alles fühlt sich politisch an und kollektives Handeln ist schwer fassbar geworden. Soziale Medien und eine algorithmusgesteuerte Individualisierung haben den persönlichen Ausdruck verstärkt, während sie unsere Fähigkeit untergraben haben, gemeinsam an geteilten Zielen zu arbeiten. Gemeinschaften zerbrechen, langfristige Verpflichtungen schwinden, und unsere Fähigkeit, systemische Herausforderungen – Klimawandel, Ungleichheit, demokratischer Rückschritt – anzugehen, wird schwächer.

Mit der Intensivierung der Hyperpolitik ziehen sich Individuen in reaktive Haltungen zurück. Äußern Meinungen, aber distanzieren sich von der nachhaltigen Arbeit des Aufbaus von Systemen, die sinnvolle Veränderungen bewirken können. Es ist nicht schwer zu verstehen, warum. Kollektives Handeln erfordert Vertrauen, Verantwortlichkeit und den Glauben, dass die eigenen Bemühungen zählen. Diese Qualitäten sind rar, jetzt wo Institutionen zu schwanken scheinen und die Polarisierung zunimmt.

Demokratie und Zukunft: Intrinsisch verbunden

Demokratie war schon immer ein Akt kollektiver Vorstellungskraft. Sie existiert nicht abstrakt, sondern als etwas, das wir durch Gespräche, Debatten und Handlungen schaffen. Im besten Fall ist Demokratie unordentlich, iterativ und zutiefst menschlich – ein System, das den Wert von Meinungsverschiedenheiten anerkennt und gleichzeitig auf gemeinsame Ziele hinarbeitet. Aber sie ist auch fragil.

In meiner Arbeit kehre ich oft zu der Idee zurück, dass Demokratie eine Debatte ist, die wir ständig neu erfinden. Letztlich geht es darum, Raum zu schaffen, um sich das Mögliche vorzustellen – anstatt sich mit dem abzufinden, was ist. Dies erfordert, dass wir Annahmen in Frage stellen, Systeme hinterfragen, die uns nicht mehr dienen, und an die Möglichkeit von etwas Besserem glauben.

Die moderne Krise der Demokratie betrifft nicht nur den Vertrauensverlust in Institutionen. Es geht um einen Verlust an Vorstellungskraft. Viele Menschen sehen Demokratie als etwas, das ihnen passiert, anstatt sich als Teil dessen zu verstehen. Diese „Stealth-Demokratie“-Mentalität geht davon aus, dass Expert:innen die Dinge hinter den Kulissen regeln, wodurch die Bürger:innen frei sind, sich zurückzuziehen. Aber Demokratie kann ohne aktive Teilnahme nicht funktionieren.

Die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen

Weltweit steht die Demokratie unter Druck von gleich mehreren Seiten:

  • Wachsende Ungleichheiten spalten Gesellschaften und konzentrieren Macht.
  • Fehlinformation und Manipulation gedeihen in einer fragmentierten Medienlandschaft und untergraben Vertrauen.
  • Individualisierung, angetrieben durch algorithmische Echokammern, entfernt Menschen von gemeinsamen Realitäten.
  • Polarisierung, sowohl politisch als auch sozial, vertieft Spaltungen und entmutigt sinnvollen Dialog.

Wir schaffen Technologie, aber Technologie formt uns wiederum. Das digitale Zeitalter hat neu definiert, wie wir interagieren, wie wir Meinungen bilden und wie wir uns mit Governance beschäftigen. Während diese Kräfte den gesellschaftlichen Zusammenhalt auflösen, schaffen sie auch Möglichkeiten, neu zu denken und neu zu gestalten.

Kollektives Handeln neu denken

Wenn die Demokratie gedeihen soll, müssen wir überdenken, wie wir politische Gemeinschaften aufbauen. Tatsächlicher Wandel ist eine Teamleistung, keine Solo-Mission. Um voranzukommen, müssen wir Systeme entwerfen, die Engagement inspirieren, Verantwortlichkeit fördern und kollektives Handeln ermöglichen.

Hier sind einige mögliche Wege:

  • Bürgerversammlungen: Alltägliche Menschen in strukturierte, beratende Prozesse einbeziehen, in denen sie komplexe Themen abwägen und Politik gestalten können. Dies baut Vertrauen auf und bindet die Bürger:innen wieder in die Entscheidungsfindung ein.
  • Erweiterte Demokratie: Nutzung von Technologie (hauptsächlich digitale Zwillinge), um direktere und transparentere Formen der Teilnahme zu ermöglichen und gleichzeitig Zugänglichkeit und Gerechtigkeit sicherzustellen.
  • Engagement auf Gemeinschaftsebene: Dezentralisierung der Entscheidungsfindung, um die Macht näher an die gelebte Realität der Menschen zu bringen. Dies schafft greifbare Verbindungen zwischen Governance und dem täglichen Leben.
  • Bildung und Volksbildung: In Dänemark erfasst das Konzept der „dannelse“ (ein wesentlicher Bestandteil des Wortes ‚uddannelse‘, das dänische Wort für Bildung) die Idee, ‚ganzheitliche‘ Bürger:innen zu formen, die sowohl kenntnisreich als auch engagiert sind. Wir müssen die staatsbürgerliche Bildung neu überdenken, um Menschen mit den Werkzeugen auszustatten, um sinnvoll an der Demokratie und damit an der Gesellschaft teilzunehmen.

Mathias Behn Bjørnhof ist Zukunftsforscher und Gründer des Beratungsunternehmens ANTICIPATE mit Sitz in Kopenhagen. Auf seinem Blog veröffentlichte er diesen Artikel im englischen Original im Januar 2024.

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Progressive Provinz

Die Progressive Provinz ist ein Gegenentwurf zu hyper-urbanen Zukunftsbildern und zeigt uns, dass auch auf dem Land die Transformation zu zukunftsfähigen Lebensräumen gestaltet wird.

von Jonas Höhn

7. Februar 2025

Die Renaissance des Ländlichen

Das Narrativ der Hyper-Urbanisierung zeichnet ein eindeutiges Bild. Die Zukunft wird darin scheinbar in unersättlich wachsenden Städten bestimmt, während sich ländliche Regionen in eine ewige Rückständigkeit verabschieden: Schulen und Krankenhäuser werden geschlossen, Menschen und Unternehmen wandern ab, der öffentliche Nahverkehr löst sich immer weiter auf und auch die ärztliche Versorgung wird eingestellt.

Auch wenn heute viele Regionen mit solchen Herausforderungen konfrontiert sind, ist diese Erzählung einer hyper-urbanen Zukunft zu eindimensional. Tatsächlich zeigt uns der Gegentrend zur Urbanisierung, dass auch abseits von Großstädten lebenswerte Zukünfte gestaltet werden. In der Progressiven Provinz erleben Dörfer und ländliche Regionen einen Aufschwung zu neuen Zukunftsräumen.

Was ist die Progressive Provinz?

In der Progressiven Provinz entstehen technologische und soziale Innovationen, die weit über die Region hinaus und sogar bis in urbane Zentren hineinwirken. Sie wird geprägt von visionären Mindsets, die sich nicht länger an Gemeindegrößen orientieren und stattdessen auf eine hohe Wandlungsfähigkeit setzen. Ausgehend von verschiedenen Projekten und Innovationen manifestiert sich so ein neues Selbstbewusstsein in ländlichen Räumen. Diese Revitalisierung des Lokalen spiegelt ein wachsendes Zusammenspiel von globalen und lokalen Faktoren wider, das den Kern der Transformation zur Glokalisierung ausmacht.

Ein großer Vorteil kleinerer Gemeinden ist ihr Wandlungspotenzial. Statt in Passivität zu verharren, entdecken viele Regionen, dass sie Veränderungen zügiger und flexibler umsetzen können als manche Großstädte. Zudem ist die Wirksamkeit gelungener Zukunftsgestaltung in diesen Orten schneller spürbar und bestenfalls direkt mit den Menschen vor Ort verbunden. Im Kern geht es um ein neues regionales Selbstbewusstsein, das Tradition und Hypermoderne miteinander verbindet – und Orte schafft, in denen Menschen wieder Begegnungswesen sein können.

Technologische und soziale Innovation

Neben technologischen Innovationen – die beispielsweise die Arbeit von zu Hause ermöglichen und das Pendeln in die nächste Großstadt verringern – und einer Sehnsucht nach Grün- und Erholungsräumen, wird die rurale Renaissance vor allem durch lebendige Beziehungen zwischen Menschen angetrieben. Ob in Sportvereinen, Kochgruppen, Gartengemeinschaften oder Unternehmer-Clubs: Die kollaborative Empathie wird zu einem entscheidenden Standortvorteil der Progressiven Provinz.

In Deutschland und Europa gibt es bereits eine Vielzahl von Provinzen, die sich selbst neu erfunden und in aufstrebende Regionen gewandelt haben. Häufig kommen dabei starke Impulse aus der Bevölkerung vor Ort, unterstützt durch Partner aus Wirtschaft und Verwaltung. Kreative Konzepte und viel Know-How verwandeln Leerstand und Brachflächen in Lebensmittelläden für lokale Produkte, Kulturorte für generationenübergreifenden Austausch oder auch Mobilitätsangebote, die sich nach den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen vor Ort ausrichten.

Das Netzwerk Zukunftsorte vereint engagierte Menschen und Gruppen vor Ort und richtet sich an Kommunen und Eigentümer:innen, um in ländlichen und strukturschwachen Regionen die Transformation zu Zukunftsorten anzustoßen. Neulandia arbeitet an vielfältigen Gestaltungsräumen auf dem Land und vereint dabei technischen Fortschritt mit sozialen Innovationen – ganz im Sinne der Human Digitality. Die Initiative Happy Locals richtet sich an junge Menschen in ländlichen Regionen und unterstützt diese dabei, kreative Projekte vor Ort zu realisieren und eigene Räume zu gestalten – mit dem Ziel, die Attraktivität des ländlichen Raums zu stärken und junge Menschen dort zu halten. Diese und viele andere Initiativen, Netzwerke und Projekte machen deutlich, welches Zukunftspotenzial vom Land ausgeht.

Merkmale der Progressiven Provinz

  • Engagierte Visionär:innen vor Ort
    Kreative Impulsgeber:innen und Brückenbauer:innen, die mit Leidenschaft eine zukunftsorientierte Kultur gestalten.
  • Authentisches Narrativ mit starker Identität
    Traditionelles Handwerk, kulinarische Spezialitäten oder besondere Naturphänomene können Orten und Regionen unverwechselbare Identitäten verleihen. Gelungenes Storytelling macht diese sozialräumlichen Eigenschaften sichtbar und schafft emotionale Verbindungen.
  • Glokales Selbstbewusstsein
    Eigene Zukunftspfade, die mutig beschritten werden – ohne sich vor neuen Impulsen und Menschen von außen zu verschließen.

Playful Learning

Der Abschied vom traditionellen Leistungsdenken bereitet den Weg für eine neue, spielerische Lernkultur. Ein Auszug aus dem Future:Guide Bildung.

von Stephanie Wössner

6. Februar 2025

In einer hochgradig vernetzten und volatilen Welt gewinnt die Fähigkeit, spielerisch zu denken und zu handeln, radikal an Relevanz. Spielerisches Lernen beschreibt diesen ergebnisoffenen und explorativen Umgang mit digitalen Technologien, Systemen und Wirklichkeiten. Bildung wird dabei zunehmend zu einem interaktiven und sinnstiftenden Prozess, der Resilienz, Kreativität und systemisches Denken stärkt – zentrale Fähigkeiten in einer dynamischen Welt.

Game-based Learning

Dies verdeutlicht auch der Ansatz des Game-based Learning (GBL). Spiele werden dabei als komplexe Interaktions- und Gestaltungsräume genutzt, in denen Lernende Zukunftskompetenzen wie systemisches Denken, Kreativität und soziale Fähigkeiten entwickeln können. Im Unterschied zu Gamification (das Einfügen spieltypischer Elemente in nicht-spielerische Kontexte zur Motivationsförderung) oder Lernspielen (im deutschen Sprachraum häufig zu Unrecht als Serious Games bezeichnet) geht es bei GBL nicht um konkrete Bildungsziele, sondern um die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und die Entwicklung zentraler Zukunftskompetenzen.

Gut gestaltete Spiele wenden dieselben Prinzipien an, die auch generell für erfolgreiches Lernen entscheidend sind, etwa Handlungsfähigkeit, Problemlösen und systemisches Denken. Diese Prinzipien unterstützen Lernende dabei, sich aktiv und eigenverantwortlich mit Lerninhalten auseinanderzusetzen und komplexe Zusammenhänge zu verstehen.

GBL ist besonders wertvoll für zukunftsorientiertes Lernen, da es nicht nur kognitive, sondern auch soziale und kreative Fähigkeiten fördert. Die Möglichkeit, in einem sicheren Raum zu experimentieren und aus Fehlern zu lernen, stärkt die Selbstbestimmung und die Selbstwirksamkeit der Lernenden. Dies führt zu tiefgreifenden und nachhaltigen Lernprozessen: Die Spielewelten selbst werden zu Interaktions- und Gestaltungsräumen, in denen Zukunftskompetenzen entstehen – mit einem hohen Maß an intrinsischer Motivation.

Intrinsische Motivation

Intrinsische Motivation wird oft als der „Heilige Gral“ der Bildung bezeichnet. Sie ist essenziell für erfolgreiche Lernerlebnisse – und kann durch selbstbestimmtes Handeln, sinnvolle Herausforderungen und persönliches Feedback gefördert werden. In vielen etablierten Lernkontexten sind diese Elemente zwar oberflächlich vorhanden, dennoch werden Herausforderungen meist vorgegeben, und Regeln erscheinen oft willkürlich. So ermöglicht das Feedback in Notenform vor allem einen Vergleich mit anderen – und erhält die intrinsische Motivation nur in Ausnahmefällen aufrecht. 

Gut gestaltete Spiele setzen dagegen auf Selbstbestimmung. Sie bieten sinnvolle Regeln, die logisch und nachvollziehbar sind, selbstgewählte Herausforderungen, die den individuellen Fähigkeiten der Spieler:innen entsprechen – und Belohnungen, die einen echten persönlichen Wert haben. Und während man in der Schule für Fehler in der Regel bestraft wird, ermöglichen Spiele das Lernen aus Fehlern, auf Basis selbstgewählter Herausforderungen. All diese Faktoren führen im Spiel zu nachhaltiger Motivation: Sie vermitteln das Gefühl, Kontrolle über den Lernprozess zu haben und echte, sinnvolle Fortschritte zu erzielen.

Insgesamt fördern Spielelemente also ein tieferes Engagement und eine größere Zufriedenheit. Würden Bildungssysteme diese Prinzipien übernehmen und die Selbstbestimmung als Grundvoraussetzung integrieren, könnte das Lernen nicht nur effektiver, sondern auch erfüllender gestaltet werden.

Zukunftsorientiertes Lernen

Über den notwendigen Paradigmenwechsel im Bildungssystem. Ein Auszug aus dem Future:Guide Bildung.

von Stephanie Wössner

6. Februar 2025

Die Welt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel – gesellschaftlich, technologisch und wirtschaftlich. Die Klimakrise, die digitale Transformation und zunehmende gesellschaftliche Spannungen erfordern auch eine neue Ausrichtung der Bildung und des Lernens in Richtung eines aktiven Beitrags zur gesellschaftlichen Entwicklung.

Dies bedeutet auch einen Umbruch in der Idee des Lernens: weg von der Idee des „zeitgemäßen Lernens“, das oft eine Anpassung an die Gegenwart bewirkt, hin zu einem „zukunftsorientierten Lernen“, das auf eine grundlegende Veränderung der Lernprozesse zielt. Das Konzept geht weit über die reine Vermittlung von Wissen hinaus: Ziel ist es, Lernende zu befähigen, sich in einer komplexen Welt nicht nur zurechtzufinden, sondern sie auch aktiv mitzugestalten.

Lernen im 21. Jahrhundert Schaubild

Learning for Future

Zukunftsorientiertes Lernen stellt die Lernenden in den Mittelpunkt und betrachtet Bildung als lebenslangen, dynamischen Prozess. Es setzt auf personalisierte Lernziele und -wege, die sich an individuelle Bedürfnisse, Interessen und Talente anpassen, und fördert kollaboratives, kreatives und reflektierendes Denken sowie Selbstwirksamkeitserfahrungen und Selbstbestimmung.

Drei Punkte sind dabei zentral:

  • Selbstbestimmtes Lernen: Lernende gestalten ihren Lernprozess aktiv mit und übernehmen Verantwortung für ihr Lernen.
  • Interdisziplinäres Denken: Statt isolierter Fachinhalte werden komplexe, vernetzte Herausforderungen betrachtet.
  • Gesellschaftliches Engagement: Bildung wird als Mittel zur Mitgestaltung der Zukunft verstanden.

Im Kern geht es um eine Transformation der Lernkultur: Zukunftsorientiertes Lernen verabschiedet sich von einem lehrenden Ansatz, bei dem Wissen vorgegeben und reproduziert wird. Lernprozesse sind nicht mehr linear und standardisiert, sondern flexibel und auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten. Lernende übernehmen Verantwortung für ihren eigenen Bildungsweg: Sie setzen eigene Ziele, bestimmen ihre Lernwege und erhalten Unterstützung von Lehrkräften, die sie als Mentor:innen begleiten. 

Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Entwicklung von Zukunftskompetenzen. In einer sich wandelnden Welt wird es zunehmend wichtig, nicht nur analytisch und kritisch zu denken, sondern auch souverän mit Unsicherheit und komplexen gesellschaftlichen Problemen umzugehen. Kreativität, Resilienz, kritisches Denken, Teamarbeit und Verantwortungsbewusstsein sind daher ebenso ausschlaggebende Elemente wie eine neue Kultur im Umgang mit Fehlern.

Ein neuer Umgang mit Digitalität

Eine wichtige Rolle im Kontext des zukunftsorientierten Lernens spielt auch ein neuer Umgang mit digitalen Technologien. Anstatt lediglich bestehende Prozesse zu digitalisieren, verlagert sich der Fokus auf das Konzept der Human Digitality: Digitale Technologien werden hier nicht als Mittel zur Optimierung traditioneller Lernmethoden oder zur Entlastung gestresster Lehrender gesehen, sondern als Werkzeug zur Förderung genuin menschlicher Kompetenzen wie Kreativität, Empathie und kritisches Denken. 

Dies erfordert auch eine bewusste Gestaltung von Lernumgebungen, in denen digitale Tools neue Perspektiven eröffnen und innovative Lösungsansätze ermöglichen. Übergreifendes Ziel ist es, Lernende zu einer konstruktiven Auseinandersetzung mit der digitalen Welt zu ermutigen – und diese aktiv mitzugestalten, anstatt sie nur passiv zu konsumieren.

Bildung für mehr Demokratie

Wie kann Bildung dazu beitragen, gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen? Über Demokratiebildung im Zeitalter der Krise. Ein Auszug aus dem Future:Guide Bildung.

von Stephanie Wössner

6. Februar 2025

Die westlichen Demokratien stehen unter Druck. Der Aufstieg autoritärer und rechtspopulistischer Strömungen, befeuert durch Desinformation und algorithmische Verzerrung in digitalen Medien, macht deutlich: Demokratie ist keine selbstverständliche Gegebenheit, sondern eine Errungenschaft, die aktiv erhalten und weiterentwickelt werden muss. Wie kann eine zukunftsorientierte „Demokratiebildung“ diesen zersetzenden Kräften entgegenwirken?

Demokratie im Bildungsauftrag

Bildung hat in demokratischen Gesellschaften immer auch eine politische Dimension. Der Bildungsauftrag geht weit über die Vermittlung von Wissen hinaus und umfasst die Förderung von Mündigkeit, kritischem Denken und der Fähigkeit zur Partizipation und zur Zukunftsgestaltung. In Deutschland ist dies im Grundgesetz sowie in den Schulgesetzen der Länder festgeschrieben: Bildung soll dazu befähigen, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen und sich aktiv am demokratischen Leben zu beteiligen.

Doch angesichts der akuten Herausforderungen für die Demokratie reicht ein traditionelles Verständnis von politischer Bildung dafür nicht mehr aus. Es genügt nicht, Fakten über Wahlsysteme und politische Institutionen zu vermitteln. Vielmehr muss Demokratiebildung ein aktiver, erfahrungsbasierter Prozess sein, der vor allem Kinder und Jugendliche befähigt, Demokratie nicht nur zu verstehen, sondern aktiv mitzugestalten.

Digitale Räume und Demokratiebildung

Die Digitalisierung hat grundlegend verändert, wie Menschen sich informieren, kommunizieren und politisch engagieren. Soziale Medien und Online-Plattformen sind heute zentrale Orte politischer Debatten, bergen aber auch Risiken: Filterblasen, Desinformation und gezielte Meinungsmache erschweren den offenen Diskurs. Hier setzt eine zukunftsorientierte Demokratiebildung an, die sowohl digitale Kompetenz als auch medienkritisches Denken fördert:

  • Kritische Medienkompetenz: Wie lernen insbesondere Kinder und Jugendliche, Informationen zu hinterfragen, Quellen zu überprüfen und Manipulationsversuche zu erkennen?
  • Partizipation in digitalen Räumen: Wie kann Bildung die aktive Beteiligung an gesellschaftlichen und politischen Diskussionen fördern, offline wie online?
  • Ethische Reflexion der digitalen Öffentlichkeit: Welche Verantwortung tragen wir als Bürger:innen in digitalen Räumen – und wie beeinflussen Algorithmen die öffentliche Meinung?

Um der wachsenden Bedrohung durch digitale Desinformation und Meinungsmanipulation entgegenzuwirken, ist die Verbindung von Demokratiebildung und Human Digitality essenziell. Entscheidend ist dabei die Befähigung, digitale Räume aktiv und verantwortungsvoll mitzugestalten. Ebenso wichtig wie der Umgang mit bestehenden digitalen Strukturen wird es, diese Strukturen demokratisch mitzugestalten und ihre ethischen sowie gesellschaftlichen Auswirkungen zu reflektieren.

Demokratie als gelebte Bildungspraxis

Eine zentrale Rolle kommt hierbei dem zukunftsorientierten Lernen zu: Basierend auf Selbstbestimmtheit, Autonomie und personalisierten Lernprozessen gibt es Lernenden die Möglichkeit, sich aktiv mit der Welt und ihrer eigenen Zukunft auseinanderzusetzen. Zukunftsorientiertes Lernen verbleibt nicht in isolierten, didaktisch vorbereiteten Szenarien, sondern ist eng verknüpft mit realen gesellschaftlichen Herausforderungen.

In einer Zeit wachsender demokratischer Herausforderungen bedeutet Demokratiebildung dann sehr viel mehr als die Vermittlung von theoretischem Wissen: Im Kern geht es um die Förderung einer Kultur der Partizipation und des kritischen Denkens. Bildungsräume werden damit zu Orten, an denen Demokratie gelebt wird. In offenen Diskussionen, im Modus des selbstbestimmten Lernens, in einem Klima, das Vielfalt und Engagement wertschätzt.

Bildung im Zeichen der Digitalität

Wie verändert die Digitalisierung unser Verständnis von Bildung und Lernen? Wegweisend ist der Ansatz der Human Digitality. Ein Auszug aus dem Future:Guide Bildung.

von Stephanie Wössner

6. Februar 2025

Im Bildungsbereich wird die Diskussion über „Digitalisierung“ oft auf technologische Innovationen reduziert, etwa in Form von digitalen Tafeln, Lernplattformen oder KI-gestützten Analyseverfahren. Um das Bildungssystem für das 21. Jahrhundert aufzustellen, greift dieser Ansatz aber zu kurz – das bloße Übertragen von analogen Lehrmethoden in digitale Formate reicht nicht aus. Wir brauchen stattdessen ein tieferes und umfassenderes Verständnis dessen, was Digitalität bedeutet und welche Rolle sie für eine zukunftsorientierte Bildung spielt.

Von Digitalisierung zur Digitalität

„Digitalisierung“ bezeichnet im Bildungskontext zunächst nur die Umwandlung analoger Inhalte in digitale Formate und die Optimierung von Lehr- und Lernprozessen durch Technologie. Online-Kurse, digitale Whiteboards und automatisierte Lernsysteme sind heute oft selbstverständlich. Schulen und Universitäten haben in den vergangenen Jahren versucht, den Unterricht mithilfe digitaler Werkzeuge effizienter und interaktiver zu gestalten – meist jedoch ohne größere Erfolge. 

Denn Digitalisierung allein ändert nichts an der Grundstruktur des Lernens, sondern bleibt oft ein Add-on zum bestehenden Bildungssystem, das weiterhin dem alten Paradigma der Industrialisierung verhaftet ist. Standardisierte Tests, lehrerzentrierter Frontalunterricht und festgelegte Lehrpläne dominieren noch immer. Diese Strukturen werden durch die bloße Verwendung digitaler Technologien nicht infrage gestellt.

Hier setzt der Begriff „Digitalität“ an, der zumindest betont, dass Menschen aktiv in digitalen Kulturen handeln. Dennoch ist die Haltung auch hier passiv: Der Mensch reagiert auf digitale Veränderungen, verarbeitet Informationen neu und agiert innerhalb algorithmischer Systeme. Wirklich zukunftsweisend ist ein Verständnis von Digitalität, das Menschen befähigt, nicht nur in digitalen Umgebungen zu navigieren, sondern aktiv neue Strukturen und Zukünfte zu gestalten.

Human Digitality

Eine solche ganzheitliche Perspektive, die den Menschen als gestaltendes Wesen in den Mittelpunkt stellt, eröffnet das Konzept der Human Digitality – eine der sechs großen Transformationsdynamiken unserer Zeit, die das Future:Project in seinem Future:System beschreibt. Eine „menschliche Digitalität“ umfasst sehr viel mehr als nur technologische Anpassungen: Sie beschreibt eine tiefgreifende kulturelle und gesellschaftliche Veränderung – die auch ein grundlegendes Umdenken in Bildungsprozessen erfordert. 

Im Zeitalter der Human Digitality muss Bildung darauf abzielen, dass Lernende digitale Werkzeuge nicht nur nutzen, sondern verstehen, gestalten und kritisch hinterfragen können. Der Fokus liegt also auf den individuellen und gemeinschaftlichen Fähigkeiten, mit digitalen Medien nicht nur zu interagieren, sondern sie kreativ und verantwortungsbewusst mit Blick auf eine lebenswerte Zukunft zu nutzen.

Daraus ergeben sich neue Anforderungen an Bildungssysteme:

  • Personalisierung statt Standardisierung: Lernprozesse müssen sich an den individuellen Bedürfnissen und Interessen der Lernenden orientieren, anstatt einem starren Lehrplan zu folgen.
  • Kompetenzorientierung statt Wissensreproduktion: Lernende sollten nicht Fakten auswendig lernen, sondern die Fähigkeit entwickeln, Informationen kritisch zu bewerten, Probleme kreativ zu lösen und Wissen selbst zu generieren – mit dem Ziel, die Zukunft mitzugestalten.
  • Ko-kreatives Lernen statt hierarchischer Vermittlung: Lehrkräfte werden zu Begleiter:innen und Partner:innen, die Lernende in offenen, kollaborativen Prozessen unterstützen.

Verantwortungsvolle Mediennutzung statt reiner Technikanwendung: Medienkompetenz bedeutet mehr als das Erlernen technischer Fertigkeiten. Sie umfasst ethische, soziale und kulturelle Aspekte digitaler Interaktion mit dem klaren Ziel einer lebenswerten Zukunft.

Bildung als Nährboden für die Gestaltung der Welt

Im Zeitalter der Human Digitality kann Bildung nicht länger als reine Wissensvermittlung verstanden werden, sondern als ein Raum, in dem Menschen lernen, ihre eigene und die gemeinsame Zukunft aktiv zu gestalten. Dies erfordert einen systemischen Wandel, der weit über technologische Innovationen hinausgeht. Insbesondere Schulen und Hochschulen müssen sich von der Vorstellung verabschieden, dass Lernen der Anpassung an bestehende Strukturen dient. Stattdessen werden Bildungsstätten zu Orten, an denen Lernende ihre Potenziale entfalten, eigene Ideen entwickeln und gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft finden.

Die Frage lautet also nicht mehr, wie wir Digitalisierung in den Unterricht integrieren können. Sondern: Wie gestalten wir Bildung mithilfe digitaler Technologien so, dass sie den Menschen stärkt, inspiriert und befähigt?

Zukunft der Bildung

Warum „zeitgemäßes Lernen“ im 21. Jahrhundert nicht mehr ausreicht und worauf das Bildungssystem von morgen basiert. Ein Auszug aus dem Future:Guide Bildung.

von Stephanie Wössner

6. Februar 2025

In der heutigen Bildungslandschaft wird oft betont, wie wichtig die Anpassung an die aktuellen gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen sei. Konzepte wie „zeitgemäßes Lernen“ sollen helfen, den Lernprozess in eine digitalisierte und komplexe Welt zu integrieren. Doch reicht das wirklich aus? So sehr zeitgemäßes Lernen bestehende Strukturen verbessern kann: Im Kern bleibt es weiter dem Bildungsparadigma des vergangenen Jahrhunderts verhaftet. Deshalb ist es an der Zeit, Bildung nicht nur an bestehende Herausforderungen anzupassen, sondern grundlegend neu zu definieren – mit dem Ziel, die Zukunft aktiv mitzugestalten.

Die Grundlagen des Bildungssystems

Das moderne Schulsystem hat seine Wurzeln in der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts. Damals bestand das Hauptziel der Bildung darin, konforme, produktive Arbeitskräfte für die wachsenden Fabriken hervorzubringen. Standardisierte Lehrpläne, Frontalunterricht und Prüfungen sollten Gleichförmigkeit und Hierarchie fördern. Die Schule wurde nach dem Vorbild der Fabrik organisiert: Im Mittelpunkt standen Disziplin, Effizienz und Kontrolle.

Bereits im 20. Jahrhundert verlangte die Arbeitswelt aber zunehmend nach Kompetenzen wie Kreativität, Kollaboration und kritischem Denken. Spätestens am Übergang zum 21. Jahrhundert, mit der Verbreitung des Internets und digitaler Medien, begann sich das Verständnis von Lernen dann deutlich zu verändern. Hier setzt auch das Konzept des zeitgemäßen Lernens an: Es versucht, bestehende Strukturen durch neue pädagogische Ansätze und digitale Technologien zu modernisieren und Bildung interaktiver und anwendungsorientierter zu gestalten.

Die Widersprüche des zeitgemäßen Lernens

Tatsächlich orientiert sich zeitgemäßes Lernen stark an den Anforderungen des 21. Jahrhunderts, indem es Digitalisierung, Medienkompetenz und kollaboratives Arbeiten zu integrieren versucht. Im Mittelpunkt stehen die sogenannten 4K-Kompetenzen: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken. In der Praxis bleiben jedoch viele Maßnahmen häufig an der Oberfläche: Digitalisierung wird dann nur als eine technologische Ergänzung betrachtet – und nicht als Werkzeug für tiefgreifende Bildungsreformen. Lehrpläne bleiben dann starr, Leistungsbewertungen basieren weiterhin auf standardisierten Tests, und die Rolle der Lehrenden als Wissensvermittelnde bleibt unangetastet.

Darin zeigt sich ein zentrales Paradox des zeitgemäßen Lernens: Einerseits sollen moderne Technologien neue Lernmethoden ermöglichen, andererseits wird weiterhin auf alten, industriebasierten Strukturen aufgebaut. So bleiben zum Beispiel Prüfungen und Notensysteme bestehen, obwohl bekannt ist, dass sie oft wenig über die tatsächlichen Kompetenzen von Lernenden aussagen. Ebenso sind Lehrpläne und Unterrichtsformate weiterhin stark reglementiert – obwohl oft betont wird, dass Kreativität gefördert werden soll.

Ein Widerspruch zeigt sich auch im Umgang mit der Digitalisierung selbst. Neue Technologien haben das Potenzial, personalisierte Lernprozesse zu ermöglichen – ihre Integration wird aber oft von technischen Restriktionen und administrativen Vorgaben behindert. Damit konserviert der Einsatz digitaler Medien häufig lediglich traditionelle Methoden, ohne den Lernprozess grundlegend zu transformieren. So bleibt das zeitgemäße Lernen oft reaktiv: Es bereitet Lernende darauf vor, sich an neue Gegebenheiten anzupassen, befähigt sie aber nicht, die Welt aktiv mitzugestalten. Angesichts globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung und gesellschaftlicher Polarisierung reicht dies nicht mehr aus.

Von Anpassung zu Gestaltung

Im 21. Jahrhundert braucht das Bildungssystem mehr als nur eine Modernisierung: Es braucht eine Transformation hin zu einem zukunftsorientierten Lernen, das die Lernenden als zentrale Akteur:innen ernst nimmt und Zukunftskompetenzen wie Kreativität, Resilienz, kritisches Denken, Teamarbeit und Verantwortungsbewusstsein aktiv fördert. 

Der schulischen Bildung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu – schließlich ist sie der Nährboden, auf dem eine zukunftsfähige Gesellschaft erwächst. Schulen wandeln sich daher von Orten der Wissensvermittlung zu Keimzellen für die Entwicklung von Kompetenzen, die für eine konstruktive Zukunftsgestaltung notwendig sind. Schulbildung hat dann nicht nur die Aufgabe, Lernende auf einen wandelnden Arbeitsmarkt vorzubereiten, sondern sie zu aktiven Gestalter:innen einer lebenswerten Zukunft zu machen. Dies erfordert Umgebungen, in denen Lernende ihre Potenziale entfalten, Verantwortung übernehmen und sich mit komplexen gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen können.

Afrofuturismus

Die Perspektiven Schwarzer* Menschen wurden und werden in der westlichen Zukunftsforschung häufig ignoriert. Der Afrofuturismus entwickelt eigene, starke Bilder von Zukunft jenseits herrschender Machtstrukturen.

Ein Auszug aus „Beyond 2025 – Das Jahrbuch für Zukunft“

von Natasha A. Kelly

29. Januar 2025

In eurozentrischen Science-Fiction-Narrativen erleben die Protagonist:innen typischerweise die Apokalypse: einen dramatischen Wendepunkt, der durch eine natürliche oder technologische Katastrophe herbeigeführt wird und den Zusammenbruch der bestehenden Ordnung symbolisiert. Darauf folgt meist der Beginn eines Überlebenskampfes, in dem die Menschheit, meist repräsentiert durch weiße Protagonist:innen, sich gegen diese Bedrohung behaupten muss. 

Schwarze Menschen dagegen haben bereits eine Apokalypse durchlebt – in Form von Kolonialisierung, Versklavung und Rassismus. Diese Katastrophen sind bereits Teil unserer Realität, weshalb der Afrofuturismus nicht auf eine bevorstehende Zerstörung wartet, sondern alternative Zukunftsentwürfe schafft, die über das bereits Erlebte hinausgehen.

Auch die Vorstellung einer Alien-Invasion bleibt im Afrofuturismus aus, denn wir Schwarzen Menschen sind selbst zu den „Aliens“ geworden, die in den Versklavungsschiffen verschleppt wurden. Der britische Afrofuturist Kodwo Eshun beschreibt diese Schiffe treffend als Raumschiffe, was die Entfremdung und das gewaltsame Entfernen aus der eigenen Heimat symbolisiert.

Doch die Gegenwart hat die Schiffe nur kleiner werden lassen. Heute sterben Schwarze Menschen in Ruderbooten auf dem Mittelmeer. Gerade deshalb gewinnt der Afrofuturismus in der deutschen und europäischen Gegenwart an Bedeutung. 
In einer Zeit, in der Science-Fiction und futuristische Erzählungen oft von weißen Perspektiven dominiert werden, bietet der Afrofuturismus alternative Narrative, die das kreative Potenzial Schwarzer Menschen hervorheben.

Utopien für Weiße

Als der britische Philosoph und Autor Francis Bacon vor rund 400 Jahren in seinem utopischen Roman „New Atlantis“ die fiktive Insel Bensalem im Pazifischen Ozean beschrieb, glaubten seine Leser:innen kaum daran, dass die imaginierte Gesellschaft, die auf wissenschaftlichem Fortschritt und der systematischen Erkundung der Natur basiert, Wirklichkeit werden könnte. Doch sie wurde es. Schwarze Menschen kommen in Bacons Vision der Zukunft allerdings nicht vor: Die Inselbewohner:innen werden als europäisch dargestellt. Bacons utopische Gesellschaft spiegelt das europäische Ideal der Aufklärung, das Wissen als Schlüssel zu Zivilisation und Fortschritt betrachtete.

Zur Zeit der Veröffentlichung von Bacons Roman war der transatlantische Versklavungshandel bereits in vollem Gange. Bis zum 19. Jahrhundert kostete er mehr als 12 Millionen Afrikaner:innen das Leben, viele von ihnen starben qualvoll während der Transporte. Trotz der grausamen Verschleppung und der Zwangszerstreuung hielten sie jedoch an ihren eigenen Zukunftsvisionen fest, in denen sie selbst die Hauptrolle spielten. Der Afrofuturismus knüpft an diese Visionen an, indem er Schwarze Zukunftsentwürfe schafft, die über Trauma und Unterdrückung hinausgehen und Raum für Selbstbestimmung und Hoffnung bieten.

Kennzeichnend für dieses Genre ist unter anderem, dass – anders als in eurozentrischen Erzählungen – Zeit nicht linear, sondern zirkulär verhandelt wird: Es gibt keinen Anfang oder Ende eines Ereignisses, alles bedingt sich gegenseitig. Afrofuturistische Künstler:innen und Denker:innen wie Sun Ra, Octavia Butler oder Janelle Monáe integrieren dabei auf diese Weise historische Erfahrungen mit futuristischen Szenarien, um in ihren Werken eine neue, ermächtigende Identität für Menschen afrikanischer Herkunft zu erschaffen.

Afrofuturismus 2.0

Doch Afrofuturismus ist nicht nur eine künstlerische Ausdrucksform, sondern stellt heute auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Zukunft dar. Als kulturelle, künstlerische und sozialpolitische Bewegung nutzt der Afrofuturismus weiterhin Elemente von Science-Fiction, Fantasy und afrikanischer Mythologie, um die Rolle und Identität Schwarzer Menschen in einer technologisch fortgeschrittenen Welt zu definieren.

Gleichzeitig reflektiert der Afrofuturismus die historische Erfahrung des Kolonialismus, der nicht nur durch die Bacon’sche Idee von Wissenschaft gerechtfertigt, sondern auch durch den technischen Fortschritt und die kolonialen Bestrebungen europäischer Mächte, einschließlich Deutschlands, ermöglicht wurde. Die deutsche Kolonialgeschichte, insbesondere in Ländern wie Namibia, Tansania und Kamerun, hat tiefgreifende Spuren hinterlassen, die bis heute nachwirken. 

Die Auswirkungen dieser kolonialen Vergangenheit sind eng verbunden mit dem systematischen Ausschluss und der Unterdrückung Schwarzer Menschen. Im deutschen Kontext bietet der Afrofuturismus die Chance, diese anhaltende historische Ungerechtigkeit aufzuarbeiten und neue Narrative zu entwickeln.

Alternative Zukunftsnarrative

Die afrodeutsche Community hat begonnen, den Afrofuturismus als Werkzeug der Selbstermächtigung zu nutzen, um ihre eigenen Zukunftsvisionen zu formulieren und die spezifischen Herausforderungen des Schwarzseins in Deutschland zu adressieren. Künstler:innen und Aktivist:innen wie Olivia Wenzel oder Philip Khabo Koepsel kombinieren afrofuturistische Elemente mit den spezifischen Erfahrungen des Schwarzseins in Deutschland, um alternative Zukünfte zu imaginieren, in denen afrodeutsche Identitäten nicht nur sichtbar, sondern auch kraftvoll und einflussreich sind.

*„Schwarz“ wird in diesem Text mit großem „S“ geschrieben, um die soziale, historische und politische Bedeutung des Begriffs zu betonen: Es geht nicht um die Beschreibung einer Hautfarbe, sondern um die Selbstbezeichnung einer politischen und kulturellen Identität. „Weiß“ wird dagegen kursiv geschrieben, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass „Weißsein“ eine gesellschaftlich konstruierte Norm darstellt, die in vielen Gesellschaften historisch als Standard gesetzt wurde, um Machtverhältnisse und Privilegien zu sichern.

Natasha A. Kelly
ist Gastprofessorin an der Universität der Künste Berlin und Mitglied des Black Speculative Arts Movement (BSAM). Die globale kreative und intellektuelle Bewegung erforscht Kunst, Kultur und Technologie, um Schwarze Zukunftsvisionen und alternative Realitäten durch Afrofuturismus und andere Formen der spekulativen Kunst zu gestalten und zu fördern.

Afrofuturistic Art

The New Queen’s Gate

Das Bild des kanadischen Afrofuturisten Quentin VerCetty Lindsay gehört zum Berliner Symposium „The Comet – Afrofuturismus 2.0“, das Natasha A. Kelly 2018 im Rahmen des Black Speculative Arts Movement (BSAM) kuratierte. Indem VerCetty die afrikanische Diaspora in Deutschland thematisiert, verbindet er Schwarze Geschichte mit Zukunftsvisionen – und symbolisiert kulturellen Widerstand und Ermächtigung in einer Gesellschaft, die noch von kolonialen Erinnerungen geprägt ist. Das Brandenburger Tor, einst mit dem preußischen Imperialismus verbunden, wird neu hinterfragt.

Afrofuturismus The New Queens Gate

L’Évangile Selon Goly

Der kamerunische Künstler Franck Toh verbildlicht den Zusammenhang zwischen Missionierung und Kolonialisierung und verweist auf das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne. Das Bild reflektiert zentrale Themen des Afrofuturismus wie kulturelle Identität, Technologie und Wissensvermittlung – und symbolisiert die Suche nach einer neuen, selbstbestimmten Identität Afrikas.

Afrofuturismus Franck Toh

Afrotopia 1

Das 2016 entstandene Bild des US-amerikanischen Künstlers Stacey A. Robinson symbolisiert eine Schwarze Utopie, die Identität, Wissen und Macht in einer grenzenlosen Zukunft neu definiert. Durch die Rekombination von Elementen des Schwarzen Kulturarchivs schafft Robinson Visionen einer freien, Schwarzen Zukunft, die auf einer Neuerfindung der Vergangenheit basieren.

Afrofuturismus Afrotopia Bild

Literatur

Anderson, Reynaldo und Jones, Charles E. (2015): Afrofuturism 2.0: The Rise of Astro-Blackness. Lanham/London

Eshun, Kodwo (1998): More Brilliant than the Sun: Adventures in Sonic Fiction. London

Kelly, Natasha A. (2019): At the End of ,Dasein‘. An Afro-German Voyage Into the Future. In: Anderson, Reynaldo und Fluker, Clinton R. (Hg.): The Black Arts Movement. Black Futurity, Art and Design. Lanham, S. 11–26

Kelly, Natasha A. (Hg.) (2020): The Comet – Afrofuturism 2.0. Berlin

Wie gelingt die ökosoziale Wende?

Der Weg in eine nachhaltige Zukunft

Die vernetzte Gesellschaft bietet große Chancen für eine systemische Neuausrichtung auf das Paradigma der Eco Transition – wenn die richtigen Schnittstellen geschaffen werden.

von Christian Schuldt

24. Januar 2025

Warum ist es der Menschheit noch immer nicht gelungen, die existenzielle Herausforderung des Klimawandels effektiv anzugehen? In seinem Buch „Ökologische Kommunikation“ kam der Soziologe Niklas Luhmann schon vor rund 40 Jahren zu einem ernüchternden Schluss: Gesamtgesellschaftliche Themen wie die Klimakrise finden keine übergreifende Resonanz, weil die gesellschaftlichen Subsysteme, allen voran Wirtschaft und Politik, nach ihren je eigenen Logiken operieren. So antwortet die Wirtschaft auf ein ökologisches Problem mit Kostenfragen: Was keinen Preis hat, ist wirtschaftlich irrelevant – und was ökologisch vernünftig ist, lässt sich nicht unbedingt preislich kalkulieren. Entsprechend denkt die Politik nur in Machtfragen und Mehrheiten.

Allerdings hat sich die Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Das Strukturprinzip der Vernetzung hat die Oberhand gewonnen, und die Klimaproblematik hat eine neue Dringlichkeit erhalten, die auch die selbstreferenziellen Subsysteme nicht länger ignorieren können. Umweltkatastrophen, mediale Berichterstattungen und globale Protestbewegungen wie „Fridays For Future“ machen klar: Ein Systemwandel ist unumgänglich. Und im Zeitalter der Vernetzung steht dieser Wandel unter deutlich besseren Vorzeichen als noch zu Luhmanns Zeit.

Wirtschaft: Abschied vom Wachstumsfetisch

Eine zentrale Rolle spielt dabei das Wirtschaftssystem. Seit vielen Jahrzehnten setzen wir „Wachstum“ mit „Wohlstand“ gleich. Die kapitalistische Wirtschaft steht unter dem Zwang, wachsen zu müssen, um den Status quo zu halten, diese Eigenlogik dominiert das Wirtschaftssystem bis heute. Zugleich sind die negativen Folgen dieses Wachstumszwangs inzwischen transparenter denn je. Jahr für Jahr verbraucht der Mensch mehr Ressourcen als die Erde regenerativ bereitstellen kann.

Zunehmend verbreitet sich deshalb die Erkenntnis, dass der Imperativ des Immer-weiter-wachsen-Müssens unseren Planeten irreparabel beschädigt und die Grundlagen unserer eigenen Existenz gefährdet. In der Conscious Economy etabliert sich daher ein ökologisch verträglicheres Wirtschaften: Immer mehr Unternehmen stellen soziale und ökologische Verantwortung vor das reine Wachstumsdenken, neue Konsumkulturen richten sich auf Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit aus, Verbraucher:innen achten verstärkt auf Attribute wie bio, fair oder erneuerbar.

Politik: Partizipation statt Repräsentation

Im politischen System eröffnet der wachsende Wille der Bürger:innen zu politischer Teilhabe und Mitgestaltung enorme Chancen für Politik, Demokratie und Gesellschaft – und damit auch für eine Lösung der Klimafrage, die nur dann gelingen kann, wenn sie auf breiter Ebene mitgetragen wird. Zukunftsweisend erscheint hier die Idee eines aktivierenden Sozialstaates, der sowohl klare Regulierungen setzt als auch günstige Rahmenbedingungen für Eigeninitiative schafft. Damit verlagert sich der Fokus automatisch auf die praktische Umsetzung und reale Erfahrungen – die wiederum die Bereitschaft zur Veränderung stärken. 

Gerade in globalisierten Zeiten werden dabei lokale Bezüge immer wichtiger, schließlich entscheidet sich letztlich immer im Kleinen, ob große Herausforderungen gelingen oder scheitern. Wegweisend ist hier die Transformation der Glocalisation, die eine weltoffene Haltung mit dem Fokus auf überschaubare, kleine Einheiten verbindet – „think global, act local“. Im Kontext der Klimakrise ist diese glokale Perspektive von hoher Relevanz, da sich konkrete Herausforderungen in einer globalisierten Welt besser regional und lokal regeln lassen – auch wenn der Staat die ökologischen Rahmenbedingungen vorgibt.

Vernetzung als Treiber der Nachhaltigkeit

Schon der Blick auf die beiden wegweisenden Subsysteme der Wirtschaft und der Politik macht deutlich, dass die vernetzte Gesellschaft viele Potenziale bietet, um diese ökosoziale Transformation zu stärken. Essenziell sind dabei vor allem neue Schnittstellen zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Eine nachhaltige Gesellschaft kann nur hervorgehen aus einer ganzheitlichen Verknüpfung von politischen Rahmenbedingungen, veränderten Produktions- und Konsummustern und umweltverträglichen technischen Innovationen. Viele Impulse und Initiativen von Unternehmen und aus der Zivilgesellschaft leben diese Nachhaltigkeit bereits praktisch vor. 

Auch deshalb sind Themen wie Klimaerwärmung, Biodiversitätsverlust und Rohstoffverknappung heute omnipräsent, das Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein der Bevölkerung steigt kontinuierlich. Die Netzwerkgesellschaft bietet die Chance, diese kulturelle Dynamik noch weiter zu fördern. Zukunftsweisend sind neue Allianzen, die ökologische und soziale Fragen zusammenzudenken und auch das Thema Innovation unter umweltpolitischen Aspekten fördern. Mit klugen Weichenstellungen kann die vernetzte Gesellschaft zum Katalysator für eine nachhaltige Zukunft werden.

Ecotopia

Jenseits der Katastrophe

Jede Kultur braucht ein Super-Mem, ein übergreifendes Narrativ, dass die Gesellschaft zusammenhält, indem es für eine geteilte Vorstellung einer erstrebenswerten Zukunft sorgt. Die großen Erzählungen der Vergangenheit haben in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr an Überzeugungskraft verloren.

von Lena Papasabbas

16. Januar 2025

Die fossile Fortschrittserzählung hat ebenso ausgedient wie das Versprechen von wachsendem materiellen Wohlstand für alle, und auch die klassische Technik-Utopie überzeugt nur noch einige wenige Silicon-Valley-Jünger.

Überall Weltuntergang

Gleichzeitig legt sich die Aussicht auf die ökologische Katastrophe als neue bedrohliche Mega-Erzählung über alles menschliche Tun. In diesem Narrativ ist der Mensch nur noch ein Schädling, der seine eigene Lebensgrundlage zerstört. Jedes Kind kennt inzwischen die Horrorszenarien von aussterbenden Arten, Kriegen um verbleibende Ressourcen und gigantischen Migrationsströmen, die Bilder von überschwemmten Städten, brennenden Wäldern und todbringenden Dürren… Was dagegen fast vollständig fehlt, ist die überzeugende Vision einer positiv aufgeladenen ökologischen Zukunft.

Dabei birgt gerade die Zukunftserzählung eines anderen Verhältnisses von Mensch und natürlicher Umwelt das Potenzial eines neuen Super-Narrativs. Nicht im Sinne eines „Zurück“ in ein vermeintlich harmonisches Gestern, in dem wir alle in Lehmhütten leben und unser eigenes Gemüse anbauen. Sondern als eine Rekombination von vorhandenen technologischen, sozialen und naturwissenschaftlichen Ressourcen zugunsten eines ganzheitlich-systemischen Wandels. Eine sozial gerechte und ökologisch verträgliche Zukunft ist ein global geteiltes Anliegen, das uns als Gesellschaft einen neuen Richtungssinn, ein Zukunftsbild geben kann.

Pfade in die gute Zukunft

Um die Klimawende zu meistern, muss keine neue technologische Innovation entwickelt werden, keine noch bessere KI, keine weitere Weltverbesserungs-App. Alles, was wir als Gesellschaft brauchen, ist bereits vorhanden. Und anders als viele Generationen vor uns haben wir auch die technologischen und ökonomischen Möglichkeiten, um alternative Pfade einzuschlagen. 

Für die Erzeugung von Strom stehen die erneuerbaren Energielieferanten unbegrenzt zur Verfügung. Für die ökologisch verträgliche Produktion von Lebensmitteln sind ausreichend Wissen und Technologien vorhanden. Die Bereitstellung von allen möglichen notwendigen Gütern für die gesamte Weltbevölkerung wäre bereits heute möglich, würden wir auf Umverteilung setzen und unnötige Massenproduktion sowie Verschwendung reduzieren. 

Das Prinzip der Wegwerfgesellschaft lässt sich durch smarte Kreisläufe Schritt für Schritt ersetzen. Reuse, Reduce, Recycle – diese Grundprinzipien des ökologischen Handelns setzen vor allem ein Umdenken und ein Neu-Lernen von Kulturtechniken voraus. An vielen Stellen ist dieses Post-Growth-Mindset schon spürbar: sowohl in den zahlreichen minimalistischen und ökologischen Lebensformen, die bereits weltweit Form annehmen, als auch in der Wirtschaft, wo eine wachsende Zahl grüner Geschäftsmodelle, Social Businesses und Deep-Purpose-getriebener Unternehmen auf eine ebenso steigende Menge an kritischen Konsumierenden und Arbeitnehmer:innen trifft.

Reality Check: Aktivismus wirkt

Gründe zur Hoffnung gibt es viele: Menschen in Deutschland produzieren trotz Bevölkerungsanstieg so wenig Müll wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Immer mehr Staaten verbieten Plastik-Einmalprodukte. Erneuerbare Energien brechen ständig neue Rekorde. Unzählige Aufforstungsprojekte haben zum Zuwachs an gesunden Wäldern auf der ganzen Welt geführt. Die Fläche der weltweiten Meeresschutzgebiete wächst, Walpopulationen erholen sich… Doch angesichts der übergreifenden Katastrophenerzählung und der immer alarmistischeren Medienlandschaft bleiben all die guten Nachrichten nicht hängen. 

Was uns fehlt ist ein verbindendes Narrativ, dass die positiven Entwicklungpfade die schon beschritten wurden zusammenführt und eine lebendige, lustvolle Beziehung zur Zukunft erlaubt – jenseits von Hoffnungslosigkeit und Weltuntergang. 

Dieses „nächste Narrativ“ muss auch die Möglichkeiten und Verheißungen neuer Technologien integrieren, vor allem aber muss es die Rolle sozialer und struktureller Innovationen stärken, indem es soziale und ökologische Nachhaltigkeit wieder zusammen denkt. Denn soziale Entwicklung steht in direktem Zusammenhang mit einer gelingenden Beziehung zur natürlichen Umwelt. Echter Wandel ist nur systemisch möglich.