Ein Auszug aus dem focus:book „Raum – Räume transformieren, Zukunft gestalten“
von Nina Pfuderer und Jonas Höhn
29. Mai 2024
Raum wird heute oft durch Mangel charakterisiert. Mangel an Wohnraum, Grünraum und Erholungsraum. Fehlender Raum für Industrie, Landwirtschaft oder für (Energie-)Produktion. Raum ist rar und dadurch kostbar. Er muss geschützt – und vor allem neu verhandelt werden.
In unserem Alltag sind wir häufig von monofunktionalen Räumen umgeben, die einen einzigen Zweck verfolgen sollen – und viele Funktionen konkurrieren um Fläche: Wohnen und Arbeiten, Landwirtschaft und Energieerzeugung, Parkflächen und Fahrradwege. Der daraus resultierende Wettbewerbs- und Konkurrenzdruck zwischen verschiedenen Bedürfnissen und Funktionen im Raum manifestiert sich in drängenden Herausforderungen unserer Zeit – in leer stehenden Bürogebäuden, die dem gravierenden Wohnungsmangel gegenüberstehen, unbelebten Einkaufsstraßen, überholten Mobilitätsinfrastrukturen, fehlenden Begegnungs- und Erholungsräumen oder überfüllten Straßen und Parkplätzen.
Obwohl sich viele dieser Probleme wechselseitig beeinflussen und sich an ganz unterschiedlichen Orten beobachten lassen, werden sie nur selten ganzheitlich analysiert und bearbeitet. Übergestülpte Raumkonzepte, die weder die Zusammenhänge der Probleme noch ihre glokalen Ursachen und Ausprägungen ernsthaft in den Blick nehmen, liefern daher immer weniger Antworten auf die tatsächlichen Bedürfnisse von Menschen und deren Lebensrealitäten.
Im Raum zeigen sich jedoch nicht nur gesellschaftliche Herausforderungen der Gegenwart. In bestimmten Räumen lassen sich bereits räumliche Manifestationen lebenswerter Zukünfte beobachten, die die transformierten menschlichen Bedürfnisse wieder in den Vordergrund rücken. Diese Entwicklungen zeigen sich in Projekten zur gemeinwohlorientierten Raumplanung, in ganzheitlichen Mobilitätskonzepten, urbanen Gärten, nachhaltiger Architektur oder neuen Gesundheitsinfrastrukturen im Raum. Als Transforming Spaces nehmen diese Beispiele eine wichtige Doppelrolle ein: Sie bilden nicht nur Transformationsdynamiken räumlich ab (Räume der Transformation), sondern treiben den gesellschaftlichen Wandel selbst aktiv voran (transformative Räume).
In unserem focus:book „Raum – Räume transformieren, Zukunft gestalten“ untersuchen Expert:innen aus verschiedensten Branchen das Verhältnis zwischen gesellschaftlichen Transformationsprozessen und unseren Lebensräumen. Dabei blicken sie auf jene Eigenschaften, die Transformationsräume beziehungsweise transformative Räume ausmachen. Das Buch stellt vier Raumkonzepte vor, die jeweils diese spezifischen Eigenschaften verkörpern.
beschreiben neue Verständnisse von Lebensqualität, Wachstum und Mensch-Umwelt-Beziehungen, die sich in kreativen Formen der Ver- und Entnetzung von Räumen ausdrücken. In zirkulären, dezentralen und regenerativen Systemen, die eine hohe Anpassungsfähigkeit und Resilienz auszeichnen, zeigen sich schon heute produktive, effektive und sinnvolle Gestaltungsmöglichkeiten dieser adaptiven Räume.
nehmen menschliche Beziehungen in den Blick und zielen auf ein besseres soziales Miteinander ab. In diesen Räumen sollen Mobilitäts-, Wohn- und Erholungsbedürfnisse möglichst aller Menschen im Raum erfüllt werden. Formen der gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung, Grünraumkonzepte und inklusive Gesundheitsinfrastrukturen sind dabei ebenso wichtig wie die Akteur:innen und Bewohner:innen selbst.
erweitern eingeschränkte Perspektiven auf Raum, indem sie diesen mehrdimensional und multifunktional verstehen. Statt sich in blockierenden Nutzungskonflikten zu verlieren, betont diese Perspektive auf Raum die vielfachen Misch- und Vielfachnutzungen, die sich in den räumlichen Dimensionen und auch im virtuellen Raum eröffnen.
sind jene Räume, die durch den tiefgreifenden Wandel von Gesellschafts- und Wirtschaftsmodellen ihre zugedachten Funktionen verlieren. Statt diese Räume der Verwahrlosung zu überlassen, sucht dieses Raumkonzept nach neuen Anforderungen und Ideen, um obsolete Orte wieder in lebendige Räume zu transformieren.
Die Eigenschaften dieser vier Raumkonzepte können sich überlagern, gegenseitig ergänzen oder sogar konstruktiv verstärken. Gemeinsam zeigen die vielen Beispiele und Perspektiven, welche konstruktiven Transformationspfade schon heute in der Stadt wie auch auf dem Land exploriert werden. Branchenübergreifend und aus einer ganzheitlichen Perspektive zeigen sie die zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten von Zukunftsräumen auf.
Nutzen wir diese Denkanstöße und werfen einen fokussierten Blick auf die vielfältigen Transformationsräume und die Zukunft unserer Lebensräume!