Wie gelingt die ökosoziale Wende?

Der Weg in eine nachhaltige Zukunft

Die vernetzte Gesellschaft bietet große Chancen für eine systemische Neuausrichtung auf das Paradigma der Eco Transition – wenn die richtigen Schnittstellen geschaffen werden.

von Christian Schuldt

24. Januar 2025

Warum ist es der Menschheit noch immer nicht gelungen, die existenzielle Herausforderung des Klimawandels effektiv anzugehen? In seinem Buch „Ökologische Kommunikation“ kam der Soziologe Niklas Luhmann schon vor rund 40 Jahren zu einem ernüchternden Schluss: Gesamtgesellschaftliche Themen wie die Klimakrise finden keine übergreifende Resonanz, weil die gesellschaftlichen Subsysteme, allen voran Wirtschaft und Politik, nach ihren je eigenen Logiken operieren. So antwortet die Wirtschaft auf ein ökologisches Problem mit Kostenfragen: Was keinen Preis hat, ist wirtschaftlich irrelevant – und was ökologisch vernünftig ist, lässt sich nicht unbedingt preislich kalkulieren. Entsprechend denkt die Politik nur in Machtfragen und Mehrheiten.

Allerdings hat sich die Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Das Strukturprinzip der Vernetzung hat die Oberhand gewonnen, und die Klimaproblematik hat eine neue Dringlichkeit erhalten, die auch die selbstreferenziellen Subsysteme nicht länger ignorieren können. Umweltkatastrophen, mediale Berichterstattungen und globale Protestbewegungen wie „Fridays For Future“ machen klar: Ein Systemwandel ist unumgänglich. Und im Zeitalter der Vernetzung steht dieser Wandel unter deutlich besseren Vorzeichen als noch zu Luhmanns Zeit.

Wirtschaft: Abschied vom Wachstumsfetisch

Eine zentrale Rolle spielt dabei das Wirtschaftssystem. Seit vielen Jahrzehnten setzen wir „Wachstum“ mit „Wohlstand“ gleich. Die kapitalistische Wirtschaft steht unter dem Zwang, wachsen zu müssen, um den Status quo zu halten, diese Eigenlogik dominiert das Wirtschaftssystem bis heute. Zugleich sind die negativen Folgen dieses Wachstumszwangs inzwischen transparenter denn je. Jahr für Jahr verbraucht der Mensch mehr Ressourcen als die Erde regenerativ bereitstellen kann.

Zunehmend verbreitet sich deshalb die Erkenntnis, dass der Imperativ des Immer-weiter-wachsen-Müssens unseren Planeten irreparabel beschädigt und die Grundlagen unserer eigenen Existenz gefährdet. In der Conscious Economy etabliert sich daher ein ökologisch verträglicheres Wirtschaften: Immer mehr Unternehmen stellen soziale und ökologische Verantwortung vor das reine Wachstumsdenken, neue Konsumkulturen richten sich auf Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit aus, Verbraucher:innen achten verstärkt auf Attribute wie bio, fair oder erneuerbar.

Politik: Partizipation statt Repräsentation

Im politischen System eröffnet der wachsende Wille der Bürger:innen zu politischer Teilhabe und Mitgestaltung enorme Chancen für Politik, Demokratie und Gesellschaft – und damit auch für eine Lösung der Klimafrage, die nur dann gelingen kann, wenn sie auf breiter Ebene mitgetragen wird. Zukunftsweisend erscheint hier die Idee eines aktivierenden Sozialstaates, der sowohl klare Regulierungen setzt als auch günstige Rahmenbedingungen für Eigeninitiative schafft. Damit verlagert sich der Fokus automatisch auf die praktische Umsetzung und reale Erfahrungen – die wiederum die Bereitschaft zur Veränderung stärken. 

Gerade in globalisierten Zeiten werden dabei lokale Bezüge immer wichtiger, schließlich entscheidet sich letztlich immer im Kleinen, ob große Herausforderungen gelingen oder scheitern. Wegweisend ist hier die Transformation der Glocalisation, die eine weltoffene Haltung mit dem Fokus auf überschaubare, kleine Einheiten verbindet – „think global, act local“. Im Kontext der Klimakrise ist diese glokale Perspektive von hoher Relevanz, da sich konkrete Herausforderungen in einer globalisierten Welt besser regional und lokal regeln lassen – auch wenn der Staat die ökologischen Rahmenbedingungen vorgibt.

Vernetzung als Treiber der Nachhaltigkeit

Schon der Blick auf die beiden wegweisenden Subsysteme der Wirtschaft und der Politik macht deutlich, dass die vernetzte Gesellschaft viele Potenziale bietet, um diese ökosoziale Transformation zu stärken. Essenziell sind dabei vor allem neue Schnittstellen zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Eine nachhaltige Gesellschaft kann nur hervorgehen aus einer ganzheitlichen Verknüpfung von politischen Rahmenbedingungen, veränderten Produktions- und Konsummustern und umweltverträglichen technischen Innovationen. Viele Impulse und Initiativen von Unternehmen und aus der Zivilgesellschaft leben diese Nachhaltigkeit bereits praktisch vor. 

Auch deshalb sind Themen wie Klimaerwärmung, Biodiversitätsverlust und Rohstoffverknappung heute omnipräsent, das Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein der Bevölkerung steigt kontinuierlich. Die Netzwerkgesellschaft bietet die Chance, diese kulturelle Dynamik noch weiter zu fördern. Zukunftsweisend sind neue Allianzen, die ökologische und soziale Fragen zusammenzudenken und auch das Thema Innovation unter umweltpolitischen Aspekten fördern. Mit klugen Weichenstellungen kann die vernetzte Gesellschaft zum Katalysator für eine nachhaltige Zukunft werden.