Neo-Machos

Der Gegentrend zum Feminismus

Text von Tristan Horx | Illustration von Julian Horx

Dies ist ein gekürzter Auszug aus der Publikation „15 Gegentrends: Wie die Zukunft ihre Richtung ändert“

29. Februar 2024

Neo-Machos

Kaum dachte man, die junge Generation bestünde aus woken Klimakleber:innen und lauter Gretas, kommt schon ein Gegentrend um die Ecke. Der Kulturkampf ist in vollem Gange – und die alten, neuen Macho-Männer feiern ein triumphales Comeback. Das hat nicht zuletzt eine massive ökonomische Dimension: Wer die Shows der aufgeregten neuen „Manfluencer“ im Netz sieht, begreift schnell, dass hier junge unsichere Männer schlichtweg ausgenommen werden. 

Was sich als Selbsthilfe für verunsicherte und vereinsamte Jungs verkauft, ist eigentlich ein beinhartes Pyramidenschema in einer neuen Farbe. Von „Wie du alle Frauen kriegst“ bis „Die moderne Frau ruiniert die Gesellschaft“ – an Misogynie mangelt es nicht. Zu den jüngsten Fortschritten in Sachen Geschlechtergerechtigkeit gibt es einen hässlichen Gegentrend, der brutal-nostalgisch in die (vermeintliche) Einfachheit der Vergangenheit zurückschielt. 

Und dabei wahnsinnig erfolgreich ist.

Die Alpha-Males von TikTok

Dieser spielt sich auch in der Generation Z – der Generation TikTok – ab. Im Vergleich zu ihren Eltern haben die jungen Menschen heute statistisch weniger Sex und suchen stärker nach Sicherheit. Fast schon spießig, aber auch verständlich. Durch die Einführung von Tinder und Co. tun sich viele Jüngere schwer, romantische Liebe zu finden. Vor allem, wenn man sich der Welt der Liebe zum ersten Mal online öffnet, ist man mit einer gigantischen Konkurrenz, erbarmungsloser Kommunikation und Übermacht von Körpernormen konfrontiert, der sich viele nicht gewachsen fühlen. 

Die Oberflächlichkeit der Dating-Welt hat vor allem unter Jugendlichen zu massiven Unsicherheiten geführt. Sehen doch auf Social Media alle immer perfekt aus, während man selbst meistens eher durchschnittlich ist. Die längste Zeit waren es nur die Frauen, die „schön“ sein mussten mussten, während die Männer sich mit ihrem Einkommen einen Platz in der Liebespyramide erkaufen konnten. Doch auf TikTok oder Tinder ist für die Schmächtigen, Haarlosen und Bierbäuchigen wenig Platz. Aus den Minderwertigkeitskomplexen frustrierter Männer speist sich im Netz eine Welle von Frauenverachtung und Antifeminismus – und ein lukratives Geschäft für Neo-Machos, das aus der Vulnerabilität junger Männer Profit schlägt.

Frauenhass spitzt sich zu

Schon lange hat sich diese Gegenwelle angekündigt. Der kanadische Psychologe Jordan Peterson machte mit seinen Regel-Büchern zur männlichen Integrität schon vor Jahren Millionenauflagen. Ein beachtlicher Teil der Hip-Hop-Kultur beruht auf dem Schimpfen über Schlampen, die nur das Eine wollen. Auch im Reich der Populisten spielt die verletzte Würde der Männer eine zentrale Rolle – in Form eines hasserfüllten Antifeminismus. MeToo hat die Sache zugespitzt, bis in das Reich der Prominenten und Mächtigen hinein. Zu spüren ist dieser reverse Kulturkampf auch in der Musikbranche und bei Rockstars. Die neuen Machos haben die Front aufgebrochen und auch einige Frauen auf ihre Seite gezogen. Für Feministen ist das fürchterlich – und gerade darauf stehen wiederum die verunsicherten Männer des neuen schwachen Geschlechts.

Fehlende Vorbilder

Solch regressive Tendenzen kommen zum Vorschein, weil durch die Komplexität der Moderne nicht leicht zu navigieren ist. Wer damit nicht umgehen kann oder möchte, flüchtet in alte Extreme und verweigert die Zukunft. Die Männerwelt sucht nun wieder nach Vorbildern, was in diesen komplexen Zeiten gar nicht so einfach ist. Schwarzenegger und Co. haben ausgedient oder sind geläutert, aber die Lücke wurde noch nicht erfolgreich besetzt. Junge Männer haben eine Menge Innovationskraft. Wohin kann die nächste Runde gehen?

In den internationalen Medien geistert die Figur des „Decarbonize Bro“ herum. Männer, die sich für die Dekarbonisierung engagieren. Ganz solidarisch und untereinander verbrüdert. Weltretten als neues, edles männliches Prinzip, das auch die Frauen wieder faszinieren kann? Hippie 2.0 mit Männergemeinschaft? Mal sehen. Männlichen Status an die Bewahrung der Umwelt zu knüpfen, ist jedenfalls wesentlich konstruktiver als den chauvinistischen Influencern auf den Leim zu gehen.