Mindshift Revolution

Aus sozialer Ungleichheit werden ermächtigte Identitäten.

Wie verändert sich eine Gesellschaft, in der bestehende Machtstrukturen, Werte und Normen aufgebrochen werden? Die Mindshift Revolution konfrontiert altes und neues Denken – und verändert so das Verhältnis zwischen Identität und Gesellschaft. Aus dieser spannungsreichen Transformation erwächst der nächste, sozialbewusste Zeitgeist.

Ein Auszug aus der Publikation “Future:System – Transformation beyond Megatrends”.

Von Nina Pfuderer

Mindshift Revolution

Die Wohlstandsgesellschaften des 21. Jahrhunderts differenzieren hyperindividualisierte Lebensstile aus ­– mit unterschiedlichsten Weltbildern und immer spitzeren, häufig nur kurzlebigen Subkulturen. Bestehende Machtstrukturen werden aufgebrochen, gesetzte Paradigmen hinterfragt und Ungleichheiten kritisiert. Wo altes und neues Denken aufeinandertreffen, sorgt die Verschiebung sozialer Gefüge für gesellschaftsübergreifende identitäts- und kulturpolitische Debatten.

Wandel im Innen

Die Mindshift Revolution verändert das Verhältnis zwischen Identität und Gesellschaft – und transformiert die Welt von innen heraus. Angesichts zunehmender Komplexität suchen Menschen neuen Halt, indem sie Denkmuster und Verhaltensweisen bei sich selbst und anderen hinterfragen. Dabei geht es immer weniger um Selbstoptimierung, sondern um eine gänzlich neue Perspektive auf das Selbst: Statt an tradierten, scheinbar festgeschriebenen Strukturen festzuhalten, soll die ego-zentrierte Haltung der individualisierten Gesellschaft durch eine neue Art der spirituellen Zuwendung zu sich und der Welt überwunden werden.

Der kontinuierliche Boom der Achtsamkeit markiert den Beginn einer neuen geistigen Grundhaltung, die sich aus der Kritik des bestehenden Systems, aber auch aus seinen Möglichkeiten heraus entwickelt. Nie hatten Menschen mehr Freizeit und weniger existenzielle Nöte. Erst diese luxuriösen Lebensverhältnisse ermöglichen die geistige Evolution.

Aufbruch im Außen

Auch im Äußeren zeichnet sich ein Wandel ab. Der Körper fungiert zunehmend als primäre Projektionsfläche für Identität. Der Feminismus, eine der wirkungsvollsten Triebfedern für den gesellschaftlichen Umbruch, umfasst dabei längst mehr als (nur) die Gleichstellung der Frau. In der Mindshift Revolution verfestigt sich die Erkenntnis, dass die Gestaltung einer lebenswerten Welt nur möglich ist, wenn strukturelle Diskriminierungen adressiert und dekonstruiert werden. In der nächsten Gesellschaft haben Merkmale wie Geschlecht oder Alter daher immer weniger Einfluss auf den gesellschaftlichen Status, die Berufswahl oder die Rolle in der Familie.

Ermächtigung des Individuums

Das setzt einen langfristigen Prozess wachsender Achtsamkeit für die eigenen Privilegien voraus, der Perspektiven für die konstruktive Auseinandersetzung mit abweichenden Vorstellungen von Wahrheit und Glück eröffnet. Biographien werden fluider und stärker durch individuelle Lebensentscheidungen und -erfahrungen geprägt als von allgemeingültigen Normen. Auch wenn diese Ermächtigung von Identitäten mit vielen Spannungen einhergeht: Das selbstbewusste Hinterfragen von Hierarchien reduziert viele soziale Ungleichheiten – und lässt eine gerechtere Gesellschaft entstehen.

Drei ausgewählte Subtrends der Mindshift Revolution

Expanding Feminism

Feminismus diffundiert in alle Gesellschaftsbereiche – und deckt dabei versteckte strukturelle Ungleichheiten auf, etwa in Infrastrukturen, Medizin, Popkultur, Sexleben, Finanzwelt oder Algorithmen. Ziel des Expanding Feminism ist längst nicht mehr nur die Gleichstellung der Frau, sondern eine faire und lebenswerte Welt für alle Menschen.

Multigraphy

Die klassische Biografie wird abgelöst von der Multigraphy: Lebensläufe differenzieren sich aus, werden individualisiert und weisen immer mehr Pausen, Abbrüche und Umwege auf. Hierin steckt vor allem angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels ein großes Potenzial: Senior Talents oder Quereinsteiger:innen mit Berufserfahrungen machen die Arbeitswelt diverser.

Selfness

Der Blick auf das eigene Selbst motiviert viele Menschen, eingeübte Lebens- und Denkweisen zu hinterfragen und aktiv neu zu gestalten. Eine ganze Branche rund um Coaching und Lebensberatung soll helfen, das beste, ursprünglichste Selbst zu erreichen. Selfness dreht sich allerdings immer weniger um Selbstoptimierung im Sinne von Leistungssteigerung: Im Fokus steht zunehmend eine gelassene, akzeptierende Form von Selbstentfaltung.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Publikation „Future:System – Transformation beyond Megatrends“.