Human Digitality

Aus dem Vernetzungsrausch wird kultivierte Digitalität.

In den vergangenen Jahrzehnten sind digitale Technologien in sämtliche Lebensbereiche vorgedrungen. Was ist die nächste Stufe dieser soziotechnologischen Revolution? Was kommt nach dem Digitalisierungsrausch?

Ein Auszug aus der Publikation “Future:System – Transformation beyond Megatrends”.

Von Christian Schuldt

Human Digitality

Das Leitmotiv der Digitalisierung – die Vernetzung – hat sich nicht nur global etabliert, sondern schreitet mit enormer Geschwindigkeit voran. Aus der beschleunigten digitalen Vernetzung entsteht die kommunikative Komplexität der Digitalisierung: Neben der Euphorie über technologischen Fortschritt, Innovation und neue Verbindungsvorteile erzeugt die Hyperdigitalisierung an anderer Stelle zunehmend Gefühle von Überforderung, Verunsicherung und diffuse Abhängigkeiten.  

Die nächste Evolutionsstufe der Digitalisierung

Immer deutlicher zeichnet sich heute ab, was den Zukunftsbildern der Netzwerkgesellschaft von morgen bislang fundamental fehlt: ein ausgewogenes Verhältnis zur digitalen Revolution. Navigierend zwischen Tech-Hypes und der Dämonisierung des Digitalen gilt es künftig, eine konstruktive Balance im Umgang mit digitalen Vernetzungsdynamiken zu finden. Wir stehen am Anfang der nächsten Evolutionsstufe der Digitalisierung: der Transformation zur Human Digitality.

Ermächtigte Individuen und Organisationen

Im Zentrum dieser Weiterentwicklung steht ein neuer Umgang mit hypervernetzten Realitäten. Der ungebremste technologische Fortschritt wird sich künftig wieder stärker an tatsächlichen menschlichen Bedürfnissen ausrichten – die Digitalisierung wird durch die Sinnfrage sozusagen „gezähmt“. Zugleich setzt die Human Digitality einen kollektiven Prozess der Kultivierung in Gang: Individuen und Organisationen werden dazu ermächtigt, konstruktiv mit den Chancen und Herausforderungen der Hypervernetzung umzugehen. Auf diese Weise entsteht ein neues Verhältnis zwischen Mensch und Digitalität. Eine humandigitale Balance. 

Neue humandigitale Gestaltungsräume

Während der Zwang zu digitaler Effizienz und eine unreflektierte Datengläubigkeit zunehmend an ihre Grenzen stoßen, eröffnet die Human Digitality ganz neue Gestaltungsräume – indem sie den Menschen wieder in den Mittelpunkt rückt. Sie transformiert unsere Perspektive auf Digitalität und ermöglicht einen ganzheitlichen Blick auf die Wirkungen, die digitale Technologien auf Individuen und Organisationen ausüben. Die elementare Erkenntnis der humandigitalen Transformation lautet deshalb: Digitale Effizienz braucht den Gegenpol lebendiger Beziehungen. 

Drei ausgewählte Subtrends der Human Digitality

AI Companions

Der Siegeszug der generativen KI lässt eine neue Form von produktiven, kreativen und sogar intimen Mensch-Maschine-Beziehungen entstehen. Indem KI-Assistenten nicht nur bei täglichen Aufgaben helfen, sondern auch kreativ inspirieren und emotional unterstützen, beeinflussen sie zugleich das menschliche Miteinander. Bei ihrer Entwicklung rücken daher auch die Themen Ethik, Transparenz und Datenschutz in den Fokus.

Cyber Resilience

Als nächste Stufe der Cyber Security umfasst das Konzept der Cyber Resilience mehr als den reinen Schutz vor Angriffen: Es geht um die proaktive Vorbereitung auf mögliche Attacken und die Sicherstellung einer schnellen Reaktionsfähigkeit. Im Zentrum steht die Fähigkeit zur Erholung und nachhaltigen Stärkung. Als fortlaufender Prozess erfordert Cyber Resilience regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen.

Recoupling

Eine neu entstehende Kulturtechnik reagiert auf die psychologischen und sozialen Schäden totaler Vernetzung: Recoupling beschreibt den Akt einer meist individuellen, oft auch nur temporären Ent- und Wiedervernetzung mit dem Ziel, eine gesunde Balance im Umgang mit Digitalität zu schaffen. Im Wirtschaftskontext schafft infrastrukturelles Decoupling mehr Autonomie und Stabilität im Krisenfall.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Publikation „Future:System – Transformation beyond Megatrends“.