Die Progressive Provinz ist ein Gegenentwurf zu hyper-urbanen Zukunftsbildern und zeigt uns, dass auch auf dem Land die Transformation zu zukunftsfähigen Lebensräumen gestaltet wird.
von Jonas Höhn
7. Februar 2025
Das Narrativ der Hyper-Urbanisierung zeichnet ein eindeutiges Bild. Die Zukunft wird darin scheinbar in unersättlich wachsenden Städten bestimmt, während sich ländliche Regionen in eine ewige Rückständigkeit verabschieden: Schulen und Krankenhäuser werden geschlossen, Menschen und Unternehmen wandern ab, der öffentliche Nahverkehr löst sich immer weiter auf und auch die ärztliche Versorgung wird eingestellt.
Auch wenn heute viele Regionen mit solchen Herausforderungen konfrontiert sind, ist diese Erzählung einer hyper-urbanen Zukunft zu eindimensional. Tatsächlich zeigt uns der Gegentrend zur Urbanisierung, dass auch abseits von Großstädten lebenswerte Zukünfte gestaltet werden. In der Progressiven Provinz erleben Dörfer und ländliche Regionen einen Aufschwung zu neuen Zukunftsräumen.
In der Progressiven Provinz entstehen technologische und soziale Innovationen, die weit über die Region hinaus und sogar bis in urbane Zentren hineinwirken. Sie wird geprägt von visionären Mindsets, die sich nicht länger an Gemeindegrößen orientieren und stattdessen auf eine hohe Wandlungsfähigkeit setzen. Ausgehend von verschiedenen Projekten und Innovationen manifestiert sich so ein neues Selbstbewusstsein in ländlichen Räumen. Diese Revitalisierung des Lokalen spiegelt ein wachsendes Zusammenspiel von globalen und lokalen Faktoren wider, das den Kern der Transformation zur Glokalisierung ausmacht.
Ein großer Vorteil kleinerer Gemeinden ist ihr Wandlungspotenzial. Statt in Passivität zu verharren, entdecken viele Regionen, dass sie Veränderungen zügiger und flexibler umsetzen können als manche Großstädte. Zudem ist die Wirksamkeit gelungener Zukunftsgestaltung in diesen Orten schneller spürbar und bestenfalls direkt mit den Menschen vor Ort verbunden. Im Kern geht es um ein neues regionales Selbstbewusstsein, das Tradition und Hypermoderne miteinander verbindet – und Orte schafft, in denen Menschen wieder Begegnungswesen sein können.
Neben technologischen Innovationen – die beispielsweise die Arbeit von zu Hause ermöglichen und das Pendeln in die nächste Großstadt verringern – und einer Sehnsucht nach Grün- und Erholungsräumen, wird die rurale Renaissance vor allem durch lebendige Beziehungen zwischen Menschen angetrieben. Ob in Sportvereinen, Kochgruppen, Gartengemeinschaften oder Unternehmer-Clubs: Die kollaborative Empathie wird zu einem entscheidenden Standortvorteil der Progressiven Provinz.
In Deutschland und Europa gibt es bereits eine Vielzahl von Provinzen, die sich selbst neu erfunden und in aufstrebende Regionen gewandelt haben. Häufig kommen dabei starke Impulse aus der Bevölkerung vor Ort, unterstützt durch Partner aus Wirtschaft und Verwaltung. Kreative Konzepte und viel Know-How verwandeln Leerstand und Brachflächen in Lebensmittelläden für lokale Produkte, Kulturorte für generationenübergreifenden Austausch oder auch Mobilitätsangebote, die sich nach den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen vor Ort ausrichten.
Das Netzwerk Zukunftsorte vereint engagierte Menschen und Gruppen vor Ort und richtet sich an Kommunen und Eigentümer:innen, um in ländlichen und strukturschwachen Regionen die Transformation zu Zukunftsorten anzustoßen. Neulandia arbeitet an vielfältigen Gestaltungsräumen auf dem Land und vereint dabei technischen Fortschritt mit sozialen Innovationen – ganz im Sinne der Human Digitality. Die Initiative Happy Locals richtet sich an junge Menschen in ländlichen Regionen und unterstützt diese dabei, kreative Projekte vor Ort zu realisieren und eigene Räume zu gestalten – mit dem Ziel, die Attraktivität des ländlichen Raums zu stärken und junge Menschen dort zu halten. Diese und viele andere Initiativen, Netzwerke und Projekte machen deutlich, welches Zukunftspotenzial vom Land ausgeht.