Konstruktive Zukünfte aktiv mitgestalten

Welchen Beitrag leistet die transformative Zukunftsforschung zum Gelingen systemischer Wandlungsprozesse? Ein gekürzter Auszug aus der Publikation „Future:Transformation“.

Konstruktive Zukünfte aktiv mitgestalten

„Die Aufgabe besteht nicht so sehr darin, die Zukunft besser zu definieren, sondern vielmehr darin, die Zukunft auf einer gewissen Ebene zu ‚entdefinieren‘, sie zu hinterfragen.“

– Sohail Inayatullah, Zukunftsforscher

Beyond Megatrends

Je mehr die globalen Umbrüche im Übergang zur nächsten Gesellschaft neue Konflikte, Komplexitäten und Verunsicherungen erzeugen, umso mehr verlieren auch die klassischen Formen der Zukunftsforschung an Aussagekraft und Praxisrelevanz. Das betrifft sowohl die „Voraussage“ der traditionellen Prognostik als auch die Analyse sehr langfristiger Trendbewegungen durch die Megatrend-Forschung. Immer wichtiger wird dagegen ein Verständnis der großen Transformationen unserer Zeit. Und: die aktive Mitgestaltung konstruktiver Zukünfte durch die Imaginierung und Öffnung neuer Möglichkeitsräume.


Transformative Zukunftsforschung füllt diese Lücke auf dreierlei Weise. Zum einen, indem sie vorhandene Zukunftsnarrative kritisch reflektiert und dekonstruiert: Welche Wünsche, Hoffnungen, Erwartungen, Annahmen über die Zukunft prägen das Hier und Jetzt – wer profitiert davon (und wer nicht)? Zum anderen, indem sie auf Basis gegenwärtiger Wandlungsdynamiken alternative Zukunftsbilder erstrebenswerter Zukünfte schafft: konstruktive Szenarien, die den Raum möglicher Zukünfte bewusst machen und erweitern. Und schließlich, indem sie den Fokus konsequent auf die praktische Umsetzung legt: Transformative Zukunftsforschung zielt auf Wirksamkeit.

Mit dem Fokus auf das Ermöglichen und Vorantreiben von Veränderung geht transformative Zukunftsforschung weit über traditionelle Ansätze der Zukunftsforschung hinaus, die sich auf das Abbilden von Trends oder Megatrends beschränken. Ziel ist es vielmehr, die Debatte über Zukunft neu zu gestalten, weg von sicherheitsorientierter Bewahrung, hin zu möglichkeitsoffener Erneuerung. Und: Menschen und Organisationen dazu zu inspirieren, für eine bessere Zukunft zu handeln. Nicht im Sinne eines Tunnelblicks auf „die eine“ gewünschte Zukunft, sondern durch das Aufzeigen vielfältiger neuer Wege in mögliche Zukünfte, die immer nur gemeinsam gestaltet werden können.

Zukunft entsteht nicht von selbst. Sie wird gemeinsam geschaffen, durch unsere alltäglichen Entscheidungen und Handlungen. Transformative Zukunftsforschung liefert dabei klare Orientierungspunkte für Menschen und Organisationen, um langfristig zu denken und zu handeln. Die Leitfragen lauten: 

  • Wo sollen sich die Dinge verändern, und wie können wir etwas bewirken? 
  • Woran müssen wir uns anpassen, und was müssen wir ändern? 
  • Wie können wir schon heute ein Leben führen, das auch in Zukunft lebenswert ist? 

Gleichzeitig legt diese klare Positionierung einen blinden Fleck der Wissenschaft offen: Jede Form von Forschung bezieht immer Stellung, schon durch Auswahl und Formulierung von Themen. Das gilt auch für die Zukunftsforschung. Es gibt keine „objektiven“ Trendberichte. Transformative Zukunftsforschung versucht diesen Umstand nicht zu verdecken, sondern geht offen mit getroffenen Entscheidungen und Perspektiven um.

Die Kraft der Imagination

Herkömmliche Zukunftsforschung fokussiert vor allem auf das, was schon da ist und auf das wir reagieren „müssen“. Häufig werden für die Erstellung dieser linearen Zukunftsszenarien auch bereits vorhandene Daten und Variablen verwendet, die in die Zukunft extrapoliert werden. Transformative Zukunftsforschung setzt dagegen bewusst auf die Kraft der Kreativität, um neue Möglichkeiten zu imaginieren und Alternativen auszuloten – ausgehend von der Grundannahme, dass erst die Vorstellung integrativer Alternativen eine bessere Vorbereitung auf die Zukunft ermöglicht. 

Dies beschreibt auch der Begriff des „Futuring“. Erst die Beschäftigung mit Zukünften, die nicht nur wahrscheinlich, sondern auch im erweiterten Denkrahmen für möglich, unmöglich oder auch noch völlig undenkbar gehalten werden, zeigt Richtungen und Kriterien des Wandels auf – und mobilisiert dann auch für eine Erkundung und Annäherung an wünschenswerte Zukünfte. So öffnet transformative Zukunftsforschung den Weg für die Imaginierung und Formulierung erstrebenswerter Zukünfte – und für die Vermittlung von handlungsorientiertem Wissen über den Wandel hin zu einer gerechten, nachhaltigen und inspirierenden Zukunft.

Trends for Transformation

Transformative Zukunftsforschung vollzieht dabei einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Trends. Die zentrale Frage lautet nicht (mehr): An welche Trends müssen wir uns anpassen? Sondern: Wie lassen sich bestimmte Trends nutzen, was lässt sich mit ihnen bewirken, um gewünschte Zukünfte konkret anzugehen? Dies verdeutlicht sowohl der Leitsatz des Future:Project – „beyond trends“ – als auch die transformative Trendsystematik Future:System: Es geht darum, Trendwissen nicht um seiner selbst willen zu nutzen, sondern im Kontext transformativer Wandlungsdynamiken, die zu konstruktiven Zukünften führen.

Die Voraussetzung dafür ist ein gemeinsames Verständnis der gegenwärtigen Wandlungsdynamiken: Was hat sich bereits verändert, was verändert sich gerade jetzt? Wie sind diese Veränderungen miteinander verknüpft? Was verhindert den Wandel, was ermöglicht ihn, was treibt ihn voran? So wie das Future:System hilft auch das Wheel of Transformation, das zukunftsorientierte Denken und Handeln von Menschen und Organisationen zu stärken. Dieses Anliegen steht im Zentrum der transformativen Zukunftsforschung: Es geht darum, den Kreis der Zukunftsgestaltenden zu erweitern – um dazu einzuladen, aktiv teilzuhaben an der Umsetzung lebenswerter Zukünfte.