Zukunft der Milch

Kulturgut im Wandel

Immer mehr Menschen wollen bewusster konsumieren. Ansprüche an Tierwohl, ökologische Standards und Transparenz wachsen. Die Milchwirtschaft passt sich den wandelnden Bedürfnissen an – und setzt auch eigene Impulse. Der Trend Report Milch zeigt, wie facettenreich nachhaltige Milchproduktion ist.

Auftraggeber: fischerAppelt, Initiative Milch 2.0 GmbH
Mai 2024

Wertewandel, Digitalisierung und Umweltbewegungen haben die Milchbranche verändert – und werden dies auch zukünftig tun. In diesem Kontext hat The Future:Project als Kommunikationsgrundlage für den Tag der Milch 2024 einen Trendreport zur Zukunft der Milch und des Milchkonsums erarbeitet.

Die Auftragsstudie wirft einen differenzierten Blick auf gesellschaftliche Transformationen und Trends, um Herausforderungen und Chancen in der Milchbranche zu beleuchten. Basierend auf dem Future:System, der Trendsystematik des Future:Projects, zeigt der Report relevante Entwicklungen sowie Bedürfnisse und Anforderungen junger Konsument:innen auf.

Ergebnisübersicht

Mindshift: Milchprodukte als Ausdruck von Identität

Globalisierung als Treiber kultureller Vielfalt
Die Globalisierung sorgt dafür, dass sich unsere kulinarische Kultur weiterentwickelt: Vormals lokal praktizierte Verarbeitungstechniken und Ernährungstraditionen stoßen international auf Resonanz. Neue Koch- und Essgewohnheiten sowie Gerichte, die Altes mit Neuem kombinieren, entstehen. Aufgrund ihrer vielfältigen Verarbeitung können Milchprodukte als Kulturvermittler und Brückenschläger fungieren. Immer mehr internationalisierte Milcherzeugnisse werden nachgefragt und konsumiert. Mozzarella, Mascarpone, Burrata, Parmesan, Ayran und Kefir sind längst fester Bestandteil deutscher Küchen geworden.

Individualisierung der Gesellschaft spiegelt sich im Konsum wieder
Die Lebensstile sind vielfältig und wandelbar – von Gesundheitsbewussten oder Öko-Hedonist:innen zu Sparfüchsen und Convenience-Entscheider:innen. Spontaneinkäufe gewinnen an Bedeutung. Die Hyper-Individualisierung der Gesellschaft prägt die Ernährungsstile von Menschen ganz besonders. Auch die Milch ist von diesem Trend nicht unberührt. In Coffeeshops ist es seit Jahren üblich, sein ganz individuelles Getränk aus einer großen Vielfalt von Optionen zu konfigurieren: Vom trendigen Mandel Matcha bis zum klassischen Filterkaffee mit Milch und Zucker ist alles möglich.

Social Media wirkt auf Ernährungsweisen und kulinarische Gewohnheiten
Die Instagrammability von Lebensmitteln, Snacks und Gerichten wird zum entscheidenden Faktor für ihre Beliebtheit. Der Fokus auf das Aussehen von Lebensmitteln wirkt auf die reale Welt zurück und hat Folgen für die Gastronomie: Wer etwa den Cappuccino ohne Herz im Milchschaum serviert, verliert Präsenz im digitalen Raum und dadurch möglicherweise auch Kundschaft. In diesem Wettbewerb um die schönsten Essensbilder erfahren auch Klassiker unter den Milchprodukten neuen Aufschwung, wie z. B. Käseplatten, Butter-Boards oder Haferbrei. Besonders Käse bietet unheimlich viele Möglichkeiten für Dekoration, Anordnung und Extras, was ein Grund für den aktuellen Käse-Boom sein kann.

Healthy Living: Zwischen Bio-Boom und Fitness-Wahn

Proteine als Basis von Lebensstilen
Der Trend zu höherem Proteinverbrauch, zusammen mit dem Trend zu natürlichen Lebensmitteln, rückt Milchprodukte einen neuen Fokus. So sind Quark, Kefir und Ayran sind insbesondere bei „körperbewussten” Verbraucher:innen beliebt. In einer Gesellschaft mit weniger Fleischkonsum sind Milchprodukte und Milch für manche Menschen zudem wichtiger Teil für eine proteinreiche, jedoch fleischarme oder sogar fleischlose Ernährung.

Alte Kulturtechniken im Aufschwung
Wachsendes Wissen über Mikroben weckt Interesse an Joghurt, Hüttenkäse und Harzer Käse, deren Mikroorganismen gesundheitsfördernde Wirkung zugesprochen wird. Dadurch gewinnen auch alte Kulturtechniken, die auf Milchsäurebakterien setzen, neuen Aufschwung.

Mikronährstoffe gewinnen an Relevanz in einer alternden Gesellschaft
Das Interesse an Mikronährstoffen, die als Teil eines präventiven Ernährungsstils wahrgenommen werden, wächst. Immer mehr Menschen versuchen, eine optimale Versorgung mit Mikronährstoffen durch natürliche Lebensmittel zu gewährleisten. Das Misstrauen gegen hochverarbeitete Lebensmittel steigt.

Eco Transition: Planetares Bewusstsein und Wunsch nach Transparenz

Systemische Gesundheit
Individuelle Gesundheit verschmilzt mit der planetaren Gesundheit, der Mensch kann nur gesund sein in einer gesunden Umwelt. Preis und Gesundheit von Lebensmitteln werden von immer mehr Menschen aus einer holistischen Perspektive betrachtet. Die Debatten um Lebensmittelkonsum sind oft aufgeladen und werden hitzig über die sozialen Medien ausgefochten. Inzwischen lässt sich eine gewisse Erschöpfung in den moralisierten Grabenkämpfen beobachten. Für Konsument:innen werden Transparenz und Diskurs-Souveränität immer wichtiger. Die Milchbranche kann diesem Wunsch entgegenkommen, indem sie Mut zur Ehrlichkeit beweist und sich transparent zeigt, Missstände nicht beschönigt und Herausforderungen und Lösungswege offen kommuniziert. 

Der Trend zu veganen Ersatzprodukten stößt neue Innovationen und Veränderungen unserer kulinarischen Kultur an und verleiht dem grundsätzlichen Wunsch nach einem besseren Mensch-Natur-Verhältnis Ausdruck. Die Milch muss dadurch nicht zwangsläufig an Bedeutung verlieren – vielmehr erfährt das Lebensmittel eine Aufwertung: Statt ständig und gedankenlos konsumiert zu werden, ist es wahrscheinlich, dass Milchprodukte zwar etwas weniger häufig, dafür aber achtsamer und wertschätzender konsumiert werden.

Wunsch nach Transparenz
Der Trend zur Emissions-Transparenz betrifft fast alle Bereiche der Foodbranche und beeinflusst das Konsumverhalten maßgeblich. Dabei ist vor allem ein Wert ins Zentrum gerückt: Transparenz. Im privaten Bereich gibt es inzwischen zahlreiche Apps, die den Besuch im Supermarkt begleiten und Aufklärung leisten, etwa der NABU’s Siegel-Check oder die REGIOapp. Doch nicht nur am Ende der Produktionskette, sondern auch an ihrem Anfang werden CO2-Tools immer häufiger eingesetzt und bieten präzise Einblicke in den CO2-Fußabdruck landwirtschaftlicher Betriebe. Beispielhaft für diese Entwicklung sind das Cool Farm Tool und THeKLa (Treibhausgas-Emissions-Kalkulator-Landwirtschaft der Landwirtschaftskammer Niedersachsen).

Kreislaufwirtschaft in der Milchindustrie
Auch die Circular Economy entwickelt sich weiter von traditionellen Kreisläufen zu neuen, innovativen Ansätzen. Futter, Energieversorgung und Wiederverwertung von Lebensmittelresten werden zu wichtigen Hebeln, um Stoffkreisläufe zu schließen. Die Abfallvermeidung in der Milchindustrie wird von diversen Start-ups weitergedacht, Nebenerzeugnisse werden zu kulinarischen Innovationstreibern. Auch Ökosystemdienstleistungen können die Grundlage für ein erweitertes Geschäftsmodell für Landwirt:innen sein. Biodiversität wird dann zum eigenen Produkt.

Let’s Talk Milch

Was bewegt die Milch? Warum kaufen wir ein, wie wir einkaufen? Wie prägen Trends den Konsum von Milch und Milchprodukten? Zukunftsforscher Tristan Horx von The Future:Project und Datenanalystin Ok-Zin Kim diskutieren über die Milch im Wandel