Wie der deutsche Modemarkt in 2030 aussehen kann, wenn er möchte. Ein Zukunftsblick von Handelsexpertin Theresa Schleicher.
22. Mai 2025
Im Jahr 2025 ist der deutsche Modemarkt weiterhin in einer schwierigen Situation. Selbst große Modeketten und internationale Konzerne wie Zara oder H&M spüren den Druck. Die Prognosen für 2025 lauten vorsichtiger als sonst. Während sich die großen Modeketten durch Preis- und Prozessoptimierung stabilisieren, kämpfen insbesondere kleine Boutiquen und deutsche Modehändler mit sinkenden Umsätzen. Der Mittelstand leidet unter einer Kaufzurückhaltung, die durch eine allgemeine Verunsicherung in der Bevölkerung verstärkt wird. Ca. 48 Prozent wollen in diesem Jahr bewusster einkaufen und auch bei Mode sparen – nicht nur indem sie günstiger kaufen, sondern indem sie insgesamt weniger konsumieren (Quelle: Zukunftsstudie Handel 2025). Auch Discount-Textiler und große Ketten sowie Secondhand-Anbieter spüren, dass spontane Impulskäufe seltener werden. Wenn dann auch noch die Preise gering, die Rabatte hoch und die Margen kleiner sind, wird es schwierig.
Doch wenn der reine Fokus auf immer neue Kollektionen nach gelernten Mustern und die Rabattaktionen mittelfristig nicht mehr funktionieren wollen, wird es Zeit darüber nachzudenken, was als neue Leistung – das 2. in dem Preis-Leistungs-Gedanken – überrascht und begeistert. Denn die Menschen werden müde vom Billigwahn und Massenmärkten, sehnen sich bewussten Konsum – aber auch nach Sicherheit, Alltag und einem guten Preis. Das ist der Nährboden einer neuen Mitte im Modemarkt.
Viele Kund:innen kaufen bewusster. Dabei spielt nicht Nachhaltigkeit – so sehr diese Realität schmerzt – die größte Rolle, sondern der Wunsch nach besserer Qualität statt reiner Quantität. Die schnellen Wegwerfprodukte haben schlicht ihren Reiz verloren, zumindest für bereits 42 Prozent der über 29-Jährigen (Quelle: Zukunftsstudie Handel 2025). Ebenfalls ein Zeichen neuer Sinnkultur: Ein Drittel der befragten jungen Konsument:innen findet eine Rückkehr zur lokalen Produktion spannend. Das Label „Made in Germany“ kann damit eine emotionale Bindung erzeugen. Dennoch reagieren Mode-Unternehmen der gesellschaftlichen Mitte nur verhalten auf diesen Trend – C&A etwa stellte seine in Deutschland produzierte Jeans-Kollektion bereits wieder ein, nach „wenig Bemühungen“, diese in den Fokus zu stellen.
„Made in Germany und Made in Europe erhält bei den aktuellen globalen Krisen einen höchst emotionalen Stellenwert – etwas, das für deutsche Mode-Unternehmen zur neuen Stärke werden kann.“
– Theresa Schleicher
Zurück zur Freude? Ausschweifende Designer-Kollektionen mit Mainstream-Marken, glamouröse Kampagnen. Mode kann wieder eine Traumbranche sein. Nur eben bewusster. Neben Nachhaltigkeit und Individualisierung zeigt sich ein weiterer ästhetischer Wandel: Der Wunsch nach Eleganz wächst. In einer Zeit, in der vieles beliebig und wertlos erscheint, rückt ein gepflegter, stilvoller Look stärker in den Fokus. Selbst in avantgardistischen Städten wie Berlin lässt sich ein subtiler Trend hin zu hochwertigerer Kleidung und bewusstem Styling beobachten. Eleganz vermittelt nicht nur Ästhetik, sondern auch eine Form von Sicherheit – ein Gefühl, das in gesellschaftlich unsicheren Zeiten wichtiger denn je wird.
Secondhand-Mode gilt weiterhin als Hoffnungsträger für einen bewussteren Konsum, doch das Wachstum in diesem Segment bleibt hinter den Erwartungen zurück. Der Grund: Viele junge Konsument:innen bemängeln, dass moderne Designs, Leichtigkeit und eine gewisse modische Freude in Secondhand-Angeboten oft fehlen. Bisher zeigen Mode-Unternehmen z.B. mit der Secondhand-Ecke in einem großen Geschäft, was viele wahrnehmen: die Secondhand-Angebote werden als nischig und unmodern empfunden, als die rationale Option in einer Masse von Fast-Fashion-Angeboten. Viele Kund:innen wünschen sich nachhaltige, aber modern interpretierte Kollektionen (48 %, Quelle: Zukunftsstudie Handel 2025). Für die Menschen spielt das Prädikat nachhaltig oft nicht die Hauptrolle, sondern es geht um Qualität von langlebigen Kleidungsstücken, die wiederum mit Recycling und Secondhand assoziiert ist.
Immer mehr Modemarken setzen beim Design ihrer Produkte Künstliche Intelligenz ein. Laut einer Studie von McKinsey integrieren bereits 28 Prozent der befragten Branchenakteure KI in kreative Designprozesse (vgl. McKinsey 2023). Ein Beispiel ist das Pariser Tech-Unternehmen Heuritech, das bereits mit Prada, Dior, Adidas, New Balance oder Louis Vuitton arbeitet. Heuritech analysiert mit KI Bilder aus Social Media und anderen Kanälen und leitet daraus Frühsignale für mögliche Fashion-Trends ab. Auch das Berliner Unternehmen yoona.ai verspricht, den Designprozess um bis zu 80 Prozent zu beschleunigen und innerhalb weniger Sekunden über 20.000 digitale Designoptionen zu erstellen. Eine größere Entwicklung deutet sich ebenfalls in der maßgeschneiderten, aber dennoch günstigen Mode an. In Asien haben sich digitale Plattformen etabliert, die binnen 24 Stunden individuelle Kleidung fertigen – ein Konzept, das mithilfe von Robotic auch in Europa Fuß fassen könnte.
Theresa Schleicher gilt als führende Handels-Zukunftsforscherin Deutschlands. Sie ist Zukunfts-Sparringspartnerin für Handels- und Wirtschaftsunternehmen, wie dem Bundeswirtschaftsministerium und The Future:Project. Die renommierte Zukunftsforscherin und Data Scientist ist Autorin mehrerer bekannter Trendstudien im Handel und gibt ihre Ausblicke in Vorträgen.