von The Future:Project
28. August 2024
Kriege, Polarisierung, Hasskultur, Klimakrise. Die Zukunft sieht ganz schön düster aus. Manchmal fragen wir uns, kann eigentlich noch irgendwas die Zukunft retten? Wie ist das alles nur möglich, was uns jeden Tag verunsichert, ängstigt, irritiert, fertig macht?
Aber dann kippt etwas – und zwar innerhalb weniger Tage, wie zuletzt im US-amerikanischen Wahlkampf. Man nennt das einen „Semantic Shift“: Plötzlich sind Bedeutungen, die milliardenfach durch die Medien gegangen sind und sich in Abermillionen von Hirnen eingespeichert haben (Trump ist gefährlich, wir müssen uns fürchten, die Demokratie ist verloren, die Bösen gewinnen, man kann sowieso nichts machen…) umcodiert worden.
Manchmal ist ein einziges Wort entscheidend, um diesen Tipping Point herzustellen. Weird. Durch diese Vokabel erscheint Trump plötzlich nicht mehr als der dämonische Deutungsmächtige, Gefährliche, Unaufhaltbare. Sondern als der verrückte alte Narzisst, der er tatsächlich ist. Nicht für alle, aber für immer mehr Menschen findet hier ein Abschied vom Dämonischen statt. Und das ist mit viel Lachen und Freude verbunden.
Zuständig für diese erstaunliche Wandlung ist eine Zukunfts-Kraft, die sich spontan bilden kann, auch und gerade in einer Zeit der Omnikrise: Die Zuversicht. Während Hoffnung wartet, dass irgendwo „von oben” Erlösung kommt, ist die Zuversicht offen für das Staunen. Und im Staunen verwandeln wir uns selbst.
Momentum. Das ist ein Moment, in dem sich die Dinge neu, zum Zukünftigen hin, zusammenfügen. In der Systemforschung nennt man das Emergenz. Die überraschende Fähigkeit von Individuen, Gruppen, Gesellschaften, Organisationen, Kulturen, sich plötzlich spontan und kreativ zu verwandeln. Man kann die Welt zum Leuchten bringen, wenn man ihre in die Zukunft gerichtete Komplexität versteht. Wie der Komplexitätsforscher Neil Theise, Professor für Pathologie, Zen-Schüler und Pionier auf dem Gebiet der Plastizität adulter Stammzellen, in seinem Buch „Notes on Complexity” formulierte: „Komplexität hat das Potential, die ganze Welt von einer Wolke der Möglichkeiten in eine andere zu schieben.”
Um unser inneres Zukunftsmomentum zu finden, sollten wir zunächst unsere Mediengewohnheiten überprüfen. Was lesen wir, was sehen wir, was nehmen wir von der großen Welt um uns herum tatsächlich wahr? In einer Zeit, in der die Medien zu Verstärkern von Erregungen geworden sind, ist das eine entscheidende Frage. Wir alle leben inzwischen in einer kognitiven Blase, in der das Negative, Unlösbare überwiegt, einfach weil es mehr Aufmerksamkeit erregt. Das heißt nicht, dass das Schlechte nicht existiert. Aber wir werden es nur vom Besseren aus verändern können.
Das Gelingende wird ausgeblendet. Aber steht es wirklich so schlecht um unsere Welt? Geht wirklich alles den Bach herunter, auf unserem Planeten? Wir haben eine kleine Auswahl von Zuversichten zusammengestellt: Narrative, Fakten, Trends und Geschichten über unsere Welt, in denen das Bessere aufscheint. Das Momentum, in dem die Welt sich verwandelt.
1. Die Wale kehren zurück
Nach Jahrzehnten des Walfangs erholen sich die Bestände vieler Walarten wieder. Besonders erfreulich ist die Nachricht, dass die Population der Buckelwale in der Cumberland Bay auf den Südgeorgischen Inseln fast wieder auf das Niveau von 1904 angestiegen ist. Diese Entwicklung zeigt, dass Naturschutzmaßnahmen tatsächlich wirken und die Natur sich erholen kann. Ein Wal bindet während seines Lebens die gleiche Menge Kohlenstoff wie tausend Bäume. Das heißt, durch die Wiederherstellung der Walpopulation kann auch das Ökosystem der Meere wiederhergestellt und die Folgen des Klimawandels abgemildert werden.
Die Kosten für Solarenergie sind in den letzten Jahren dramatisch gesunken – allein von 2010 bis 2022 um fast 90 Prozent. Dies hat die Solarenergie zur günstigsten Stromquelle weltweit gemacht. Länder wie China, die USA und Indien investieren massiv in erneuerbare Energien, was den globalen CO2-Ausstoß langfristig reduzieren könnte.
Die Alphabetisierungsrate weltweit ist beeindruckend gestiegen. 1980 konnten etwa 68 Prozent der Weltbevölkerung lesen und schreiben, heute sind es 87 Prozent. Der Trend geht ganz klar in Richtung mehr Zugang zu Bildung für alle.
Dank globaler Initiativen und struktureller Veränderungen ist ein Ende des Hungers in Sicht. Organisationen wie die „World Central Kitchen“ leisten unermüdliche Arbeit, um Menschen in Not mit frischen Mahlzeiten zu versorgen. Diese und andere Maßnahmen könnten dazu führen, dass Hunger in naher Zukunft weltweit der Vergangenheit angehört.
Immer mehr Frauen sind in Parlamenten vertreten, und die Rechte queerer Menschen verbessern sich weltweit. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Anteil weiblicher Abgeordneter stetig erhöht, und zahlreiche Länder haben Gesetze verabschiedet, die die Rechte von LGBTQ+ Menschen stärken.
Wälder auf der ganzen Welt erholen sich. So gibt es heute in den USA mehr Bäume als vor 100 Jahren. Initiativen wie „Plant for the Planet“ pflanzen Millionen Bäume weltweit, was nicht nur zur Bekämpfung des Klimawandels beiträgt, sondern auch Lebensräume für unzählige Arten wiederherstellt.
Globalisierung und technologische Fortschritte haben die Welt näher zusammengebracht. Internationale Kooperationen und Initiativen fördern den Austausch von Ideen und Ressourcen, was zu einer besseren Bewältigung globaler Herausforderungen führt. In einer globalen Umfrage in 18 Ländern gab etwa die Hälfte der Befragten an, sich eher als Weltbürger:innen zu fühlen, denn als Bürger:innen ihrer Nation.
Innovative Lösungen helfen, mit extremer Hitze umzugehen. So entstehen etwa Gebäude, deren Fassaden nach dem Vorbild von Elefantenhaut gebaut werden, um die Hitze abzuhalten. In Afrika wächst ein Baumgürtel, der die Ausbreitung der Wüste aufhalten und das Klima stabilisieren soll.
Es gibt immer mehr Plattformen, die konstruktive Nachrichten verbreiten und positive Entwicklungen in den Vordergrund stellen. Portale wie „Reason to be Cheerful“ oder „Positive News“ zeigen, dass es zahlreiche Gründe gibt, optimistisch in die Zukunft zu blicken.
Welche Transformationen führen uns aus der Krise? In unserer neuen Meta-Studie „Omniskrise“ zeigen wir weitere konstruktive Wege in die nächste Gesellschaft auf.
Wie uns eine Krise, in der alles miteinander zusammenhängt, den Weg in die Zukunft zeigt.